ALTERNATIVE FINANZIERUNGSFORMEN
FÜR UNTERNEHMER UND INVESTOREN
3 Fragen an kluge Köpfe
Foto: Dr. Andreas Jobst

Klimafreundliche Infrastruktur — Chancen für Privatinvestoren

Dazu 3 Fragen an Dr. Andreas Jobst

Alli­anz SE in München
Foto: Dr. Andreas Jobst
8. Dezem­ber 2022

Eine stra­te­gi­sche Neuaus­rich­tung auf klima­freund­li­che Infra­struk­tu­ren brau­chen wir, um Ener­­gie- und Ernährungssicherheit zu gewährleisten. Gut geplante grüne Infra­­struk­­tur-Projekte erhöhen nicht nur poten­zi­el­les Produk­ti­ons­wachs­tum und verbes­sern die Widerstandsfähigkeit, sondern können auch dazu beitra­gen, den mit dem wirt­schaft­li­chen Fort­schritt einher­ge­hen­den Kohlen­­stoff-Fußab­­druck zu verringern. 


Dazu 3 Fragen an Dr. Andreas Jobst, Leiter Makroökonomische Forschung und Kapitalmärkte Alli­anz SE in München

1. Warum bemüht man sich erst jetzt um eine klima­freund­li­che Infrastruktur?
Die Regie­run­gen erken­nen zuneh­mend, dass Infra­struk­tur-Inves­ti­tio­nen der Dreh- und Angel­punkt bei der Fest­le­gung effek­ti­ver grüner Übergangspfade sind. Die Infra­struk­tur ist derzeit für durch­schnitt­lich mehr als zwei Drit­tel der welt­wei­ten Treib­haus­gas­emis­sio­nen verant­wort­lich. Gut geplante Infra­struk­tur­pro­jekte mit einem stärkeren Fokus auf den Klima­wan­del und die umfas­sen­dere Nach­hal­tig­keits­agenda erhöhen daher nicht nur das poten­zi­elle Produk­ti­ons­wachs­tum und verbes­sern die Widerstandsfähigkeit, sondern tragen auch zur Verrin­ge­rung des Kohlen­stoff-Fußab­drucks bei. — Aller­dings werden die derzei­ti­gen öffentlichen Investitionspläne allein nicht ausrei­chen, um die geschätzte grüne Investitionslücke zu schließen.
2. Wie und in welche Berei­chen gilt es bei Infra­struk­tu­ren „grüner“ zu werden?
Unsere inter­nen Berech­nun­gen ermöglichen es uns, den Bedarf der einzel­nen Sekto­ren zu ermit­teln, um verschie­dene Emis­si­ons­ziele zu errei­chen, und sie mit der Vertei­lung der neuen Plänen (Abb. 1)5. Die verschie­de­nen Pläne zur Ankur­be­lung der Infra­struk­tur, die während der Covid-19-Krise aufge­legt wurden, schei­nen diesen Veränderungen teil­weise Rech­nung zu tragen. Vergleicht man den tatsächlichen Inves­ti­ti­ons­be­darf nach Sekto­ren mit den aktu­el­len Plänen, so stellt man fest, dass letz­tere in den Berei­chen Elektrizität und Netze zu kurz grei­fen, wo der Inves­ti­ti­ons­be­darf am größten ist. Wir schätzen die größte Investitionslücke für den grünen Wandel in der öffentlichen Infra­struk­tur in den USA auf etwa 1,7 % pro Jahr. In Europa sind die größten Investitionslücken in Spanien und Frank­reich (1,6 % bzw. 1,3 % des BIP pro Jahr) zu verzeich­nen, während die Zahlen in Italien (0,6 %) und Deutsch­land (0,4 %) mode­ra­ter ausfal­len. Deutsch­land kann den geschätzten Inves­ti­ti­ons­be­darf nur unter Berücksichtigung des Impul­ses aus dem Oster­pa­ket decken – voraus­ge­setzt, die Mittel werden effi­zi­ent zuge­wie­sen und die Projekte werden effek­tiv umgesetzt.
3. Warum brau­chen wir eine diffe­ren­zier­tere regu­la­to­ri­sche Behand­lung von Infra­struk­tur­in­ves­ti­tio­nen für private Investoren?
Die Schaf­fung eines günstigen regu­la­to­ri­schen Umfelds für Infra­struk­tur­in­ves­ti­tio­nen kann dazu beitra­gen, lang­fris­tige Finanz­mit­tel von lang­fris­ti­gen Inves­to­ren zu mobi­li­sie­ren. Mehrere G20-Länder – und andere Länder mit bedeu­ten­den Versi­che­rungs­sek­to­ren – haben nur eine teil­weise oder gar keine Sonder­be­hand­lung für Infra­struk­tur. So verlan­gen die Liquiditätsregeln von den Versi­che­rern, dass sie beträchtliche Kapitalbeträge zur Deckung von Inves­ti­tio­nen in Infra­struk­tur­schul­den bereit­stel­len, insbe­son­dere für Trans­ak­tio­nen ohne Rating. Bislang hat der Mangel an Daten über die Kreditwürdigkeit von Infra­struk­tur- projek­ten eine bessere Vergleich­bar­keit mit Unter­neh­mens­kre­di­ten und eine noch diffe­ren­zier­tere aufsichts­recht­li­che Behand­lung verhin­dert. Die Verbes­se­rung der Verfügbarkeit von Leis­tungs­da­ten über Infra­struk­tur­pro­jekte für Regie­run­gen, Regulierungsbehörden und Inves­to­ren würde dazu beitra­gen, den Spiel­raum für eine günstigere aufsichts­recht­li­che Behand­lung zu erwei­tern. Nach unse­ren Bere­chun­gen schei­nen grüne Infra­struk­tur­pro­jekte über einen Zeit­raum von 10 Jahren welt­weit tatsäch­lich nur halb so häufig auszu­fal­len wie „braune“ Projekte, wobei der Unter­schied in Schwellenländern größer ist als in fort­ge­schrit­te­nen Volkswirtschaften.

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