Das FISG als Allheilmittel gegen Bilanzskandale?
Es versteht sich von selbst, dass man schlecht kritisch prüfen kann, was man zuvor selbst mitgestaltet hat. Nichts anderes hat der berühmte Sarbanes-Oxley Act bereits im Jahr 2002 zum Ausdruck gebracht, als Senat und Repräsentantenhaus der USA als Reaktion auf Bilanzskandale von Unternehmen wie Enron oder WorldCom auch die Unvereinbarkeit von Prüfung und Beratung gesetzlich regelten. In Deutschland existierte bereits vor dem FISG ein vergleichbarer Grundsatz in § 319 Abs. 3 HGB. Das FISG präzisiert dies nunmehr lediglich mittels einer expliziten Blacklist von Leistungen, die Abschlussprüfern von Unternehmen von öffentlichem Interesse (sog. PIEs) verboten sind. Insbesondere weltweit tätige Wirtschaftsprüfungsgesellschaften haben dies aber auch bereits in der Vergangenheit beherzigt und umgesetzt.
Richtig ist, dass auch im Bereich der Jahresabschlussprüfung der Grundsatz „neue Besen kehren gut“ Anwendung findet. Gerade bei dem im Rahmen der FISG interessierenden Kreis der zu prüfenden Unternehmen von öffentlichem Interesse ist dies aber zweischneidig. So kann man Unternehmen nur dann verantwortlich prüfen, wenn man sie durch und durch verstanden hat. Hier ist häufig ein Spezialisierungsgrad sowie eine Expertise gefragt, welche im Markt nicht leicht zu finden ist. Der Grundsatz „jeder ist ersetzbar“ gilt hier gerade nicht. Wenn das FISG nunmehr in Bezug auf Prüfungen von PIEs eine Höchstgrenze der externen Rotation von zehn Jahren sowie eine interne Rotation bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft von nun maximal fünf Jahren fordert, wird dies den Abschlussprüfungsmarkt in Deutschland erheblich beeinflussen. In vielen Fällen ist nämlich bei den am deutschen Kapitalmarkt notierten Gesellschaften derselbe Abschlussprüfer seit deutlich mehr als zehn Jahren tätig.
Es stellt sich zunächst die Frage, welchen Zweck das FISG tatsächlich verfolgt und wie sich hierdurch die Rechtslage in Deutschland ändert. Der Gesetzgeber hat in § 323 HGB eine eindeutige Botschaft dahingehend formuliert, dass das Testat einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ausschließlich für das zu prüfende Unternehmen da ist und keinerlei Drittschutz gewährt. Hieran hat sich auch durch das FISG nichts geändert. Dritte, nämlich der Kapitalmarkt, erhalten keine Direktansprüche gegen den Wirtschaftsprüfer. Wenn — wie in vielen Bilanzskandalen — der Wirtschaftsprüfer ebenso Opfer krimineller Machenschaften wurde, wie der Kapitalmarkt, sieht auch das FISG keine Direktansprüche der Aktienkäufer gegen den Wirtschaftsprüfer vor.
Echte Veränderungen haben lediglich im Rechtsverhältnis zwischen dem zu prüfenden Unternehmen und dem Abschlussprüfer stattgefunden. Hier wurden die Haftsummen erhöht bzw. Obergrenzen ganz abgeschafft. Viele Stimmen auch aus dem Bundesrat befürchten aber durch die gesetzlichen Änderungen eine weitere Konzentration des Marktes zu Gunsten der ohnehin schon mächtigen Teilnehmer, welche in der Lage sind, derartige Haftungsrisiken zu tragen und entsprechenden Haftpflichtversicherungsschutz vorzuhalten.
Man hätte auch Haftungsobergrenzen in ein bestimmtes Verhältnis zur Bilanzsumme des zu prüfenden Unternehmens setzen können; auch eine Haftungshöchstgrenze in Abhängigkeit von den Finanzkennzahlen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft selbst wäre in Betracht gekommen. Aus Perspektive der Haftpflichtversicherer stellt eine Quantifizierung der Risikoerhöhung durch das FISG jedenfalls eine besondere kalkulatorische Herausforderung dar; eine dem gestiegenen Risiko angepasste Erhöhung der Prämie wird die unvermeidliche Folge sein. Ob die Haftungsverschärfung durch das FISG dazu beitragen wird, Skandalfälle zu vermeiden, wird man dagegen erst im Verlauf von Jahrzehnten beurteilen können.