Die Rolle der Financial Due Diligence im Small und Mid Cap-Bereich
Grundsätzlich ist die Identifizierung und Bewertung von Risiken in jeder Transaktion und in jedem Segment sehr wichtig, um negative Überraschungen für den Käufer zu vermeiden. Im Small- und Mid-Cap Sektor gibt es jedoch Besonderheiten, die zu es berücksichtigen gilt. Während Transaktionen im Large Cap Segment in den meisten Fällen auf geprüften Jahres-Abschlüssen und einer granularen Zahlen-Basis basieren, trifft man im Small und Mid-Cap oftmals auf eine mangelhafte, nicht sehr detaillierte Zahlen-Basis und teilweise auf ungeprüfte Jahres-Abschlüsse. Aus diesen Gründen gilt es im Rahmen der Financial Due Diligence einen besonderen Blick auf die Zahlen zu werfen. Steuerliche Optimierungen (z.B. durch zu Unrecht abgewertete Vorräte oder gebildete Rückstellungen) müssen verstanden werden, um die tatsächliche Profitabilität des zu kaufenden Unternehmens zu ermitteln.
Mangelnde oder nicht vorhandene Controlling Instrumente erlauben oftmals nicht auf den ersten Blick zu erkennen mit welchen Produkten / Leistungen Gewinn bzw. Cash Flow erzielt wird. Dazu bedarfs es häufig, sich tiefer in die vorhandenen Zahlen einzugraben und mit Hilfe von Annahmen eine indikative Sicht zu ermitteln. Neben den Unzulänglichkeiten bei den Zahlen spielen aber auch noch andere Aspekte bei der Financial Due Diligence im Small und Mid-Cap Segment eine Rolle, damit die Transaktion am Ende erfolgreich umgesetzt werden kann. Es beginnt häufig damit, dass es für Berater hilfreich ist, die gleiche Sprache wie die des Geschäftsführenden Gesellschafters auf der Verkäuferseite zu sprechen. Mit gleicher Sprache ist sowohl die deutsche Sprache als auch eine inhaltliche Sprachfähigkeit gemeint, die wir durch einen vergleichsweise hohen Einsatz von sehr erfahrenen Team-Mitgliedern sicherstellen. Nicht zuletzt geht es auch darum, den Verkäufer und seine Situation zu verstehen aber auch gleichzeitig darum alle Informationen zu bekommen, die für eine Due Diligence notwendig sind.
Wie schon erwähnt sind steuerliche Optimierungen oftmals anzutreffen. Dazu werden teilweise im Übertriebenen Maße Vorräte abgewertet oder Rückstellungen gebildet. Oftmals werden auch im entscheidenden Bewertungsjahr Accounting Methoden verändert, um den Kaufpreis nach oben zu treiben. All diese Effekte müssen im Rahmen der Due Diligence detailliert verstanden werden, um eine Sicht auf die nachhaltige Profitabilität zu entwickeln. Weitere typische Erkenntnisse bei Small- und Mid-Cap Transaktionen sind oftmals die Verquickung von privaten und geschäftlichen Sachverhalten. Wir haben es mehrfach erlebt, dass eigentlich für private Zwecke angefallene Aufwendungen in der Gewinn- und Verlustrechnung des Unternehmens zu finden sind. Teilweise werden auch nahestehenden Personen bezahlt, die aber nicht (mehr) die volle Leistung für das Unternehmen erbringen. Wir haben auch schon diverse Vermögensgegenstände in der Bilanz gefunden, die definitiv nicht zum Geschäftszweck und Unternehmen gehören. Diese gesamte Verquickung von privat und geschäftlich muss sauber getrennt und vor dem Vollzug der Transaktion eliminiert werden.
Ein Trend, der auch schon etwas länger anhält ist die buy and build Strategie, in der ein Nukleus als Plattform-Investment gekauft wird und anschließend über (teils kleinere) Zukäufe zu einer größeren Gruppe ausgebaut werden. Diesen Trend sehe ich nach vorne gerichtet auch als den Trend im Small- und Mid-Cap Segment an. Finanzierungen sind teilweise leichter als bei Large-Cap Transaktionen und auch Kaufpreis-Erwartungen sind vergleichsweise realistischer als im Large-Cap Segment. Ich vermute, dass es noch das Jahr 2024 braucht bis die Verkaufspreis-Vorstellungen in allen Segmenten wieder stärker der Realität entsprechen.
Über Jochen Reis
Jochen Reis ist Partner bei Rödl & Partner und leitet seit rund 10 Jahre am Standort Eschborn die Transaktionsberatung. Das Team am Standort umfasst mehr als 20 Transaktions-Spezialisten mit dem Fokus auf Small- und Mid-Cap Transaktionen (ca. 120 Projekte im vergangenen Jahr). Zu den Mandanten gehören sowohl Finanzinvestoren als auch Corporates, die primär im Mittelstand im In- und Ausland Akquisitionen tätigen. Bevor er zu Rödl & Partner kam, war Jochen Reis 13 Jahre bei pwc, hauptsächlich in der Transaktionsberatung im Private Equity Bereich im Large-Cap Sektor tätig.
Rödl & Partner ist der agile Kümmerer für mittelständisch geprägte Weltmarktführer und ist an 110 eigenen Standorten in rund 50 Ländern vertreten. Neben der Transaktionsberatung bietet Rödl & Partner Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Rechtsberatung, Unternehmens- und IT-Beratung an.