Ein Wolf im Schafspelz für Private Equity?
LM Audit & Tax München
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4. September 2019
1. Gibt es anläßlich dieses Referentenentwurfs etwas Neues im Hinblick auf Private Equity?
In der Tat geht es bei dem Referentenentwurf vom 8. Mai 2019 zunächst vordergründig um das Thema Elektro-Mobilität – kurioserweise und diese persönliche Anmerkung sei mir hier gestattet, obwohl die Elektro-Mobilität sich in Deutschland bis dato in den Kinderschuhen befindet und zum Einsatz in der Breite (Stichwort Elektro-Dienstwagen) auf absehbare Zeit ja gar nicht zur Verfügung steht.
Der damalige Referentenentwurf wurde zwischenzeitlich – unter Einschluss erster, diverser Änderungen — am 31. Juli beschlossen, das heißt, das Gesetzgebungsverfahren wurde offiziell in Gang gesetzt, wenngleich es bis zur finalen Verabschiedung im Bundesrat wohl noch eine Zeit dauern wird und wohl auch weitere Änderungen nicht ausgeschlossen sind. Steuerlich geht der Entwurf – von der medialen Berichterstattung eher unbemerkt – weit über das Thema Elektro-Mobilität hinaus.
Für Private Equity handelt es sich um ein echtes „Rechtsprechungsverhinderungsgesetz“, zumal einige der Neuregelungen im Widerspruch zur eigentlich für die Steuerpflichtigen positiven Entwicklung der BFH Rechtsprechung stehen; konkret insbesondere bei Ausfall von Gesellschafterdarlehen oder dem Verlust von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften durch Insolvenz. Beides kommt bei Private Equity Fonds ja leider gelegentlich vor; insbesondere Privatanleger (wozu übrigens auch die Carry-Holder für den laufenden Ergebnisanteil zählen) sind nach dem Gesetzentwurf erheblich benachteiligt. – Darüber hinaus soll auch das in den Betriebsprüfungen der letzten Jahre eigentlich zur Ruhe gekommene Thema der Aktivierung von Management Fees ohne Not bundeseinheitlich verschärft werden; auch das leider im Widerspruch zu der bisher oft gelebten Praxis.
2. Worin besteht der Widerspruch, was wird ausgehebelt?
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit einem für die Steuerpflichtigen positiven und im Übrigen wegweisenden Urteil vom 24.10.2017 (Aktenzeichen VIII R 13/15) entschieden, dass der Ausfall privater Darlehensforderungen als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen entgegen der bisherigen Sichtweise der Finanzverwaltung– zu berücksichtigen ist. Der Fall betrifft alle Steuerpflichtigen mit sog. Streubesitz, also Fälle in denen der Investor durchgerechnet im Ergebnis zu weniger als 1 % an der betreffenden Ziel- Kapitalgesellschaft beteiligt ist – somit ein häufig anzutreffendes Szenario bei Private Equity Fonds. Mit diesem Urteil hat der BFH auch auf einen Schlag die Textziffer 60 aus dem bisher seit 2016 bestehenden Schreiben des Bundesfinanzministeriums zu Anwendungsfragen nach Einführung der Abgeltungsteuer ausgelöscht.
In einem weiteren für die Steuerpflichtigen ebenfalls sehr erfreulichen Urteil vom 12.06.2018 (Aktenzeichen VIII R 32/16) hat der BFH entschieden, dass auch die Veräußerung von Aktien zu einem Verkaufspreis, der gerade nur den Transaktionskosten entspricht, ein anzuerkennenden Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen entsteht. Auch mit diesem Urteil hat der BFH auf einen weiteren Schlag die bisherige Textziffer 59 aus dem bisher seit 2016 bestehenden Schreiben des Bundesfinanzministeriums zu Anwendungsfragen nach Einführung der Abgeltungsteuer ausgelöscht.
Zudem ist nach den beiden o.g. Urteilen sehr wahrscheinlich, dass der BFH auch in den noch anhängigen Revisionsverfahren (u.a. VIII R 5/19) beim Verlust von Kapitalbeteiligungen durch Insolvenz der Kapitalgesellschaft, auch für Beteiligte mit Streubesitzanteilen im Privatvermögen, insoweit einen steuerlichen Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen anerkennen wird.
So weit so gut, im aktuellen Gesetzentwurf wird aber durch Änderungen in § 20 EStG die vorstehend genannte Rechtsprechung des BFH außer Kraft gesetzt durch eine Formulierung, nach der der Ausfall einer Kapitalforderung oder der durch Ausbuchung einer Kapitalbeteiligung entstandene Verlust steuerlich unbeachtlich sein soll. Diese Regelung ist extrem profiskalisch motiviert, einfach gesagt reines „Rechtsprechungsverhinderungsgesetz“.
Zuguterletzt findet sich in § 6e EStG des neuen Gesetzentwurfes eine Regelung zu sog. Fonds-Etablierungskosten, die im Ergebnis wohl dazu führen wird, dass die bisher nur im veralteten Fondserlass aus 2003 – dieser basiert auf den noch älteren Bauherren-Erlassen der 80er und 90er Jahr – enthaltenen sehr restriktiven Regelungen zur Aktivierung von in der Investitionsphase anfallenden Werbungskosten nunmehr gesetzlich festgeschrieben werden. Dies – ganz zufällig – vor dem Hintergrund, dass der BFH im ganz aktuellen Urteil vom 26.04.2018 (Aktenzeichen IV R 33/15) zudem entscheiden hat, dass Fonds-Etablierungskosten ab Ende 2005 – entgegen der bisherigen Verwaltungspraxis – als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben zu behandeln sind.
Im Ergebnis wird damit auch das „Bayerische Modell“, in dem über die gesamte Laufzeit des PE Fonds in der Regel 2 von 10 Management Fees als Anschaffungskosten aktiviert und der Rest – außerhalb des Regelungskreises der §§ 8b KStG und 3c EStG — als steuerlich abzugsfähiger Aufwand anerkannt wurde. Oder wie ein hochrangiger Vertreter des hessischen Finanzministeriums auf einer Steuertagung vor einigen auf Anfrage verlautbarte: Das Einkommensteuergesetz ist Bundesrecht und gilt dann auch in Bayern.
3. Welche Auswirkungen zieht das nach sich?
Die Steuerpflichtigen und deren Berater werden sich insgesamt wohl auf Verschärfungen einstellen müssen. Fälle in denen Darlehensverluste oder Insolvenzen von Kapitalgesellschafen vor Inkrafttreten der Neuregelung, also voraussichtlich vor dem 1.1.2020 realisiert wurden, können mit gewisser Wahrscheinlichkeit wohl „gerettet“ werden. Das Gesetzgebungsverfahren soll bis Ende 2019 abgeschlossen werden. Der Bundesrat wird aller Voraussicht nach in seiner Sitzung vom 20. September zum aktuellen Regierungsentwurf Stellung nehmen. Sicher ist damit wohl auch, dass auch die massenhafte Ausbreitung der Elektro-Mobilität noch auf sich warten lassen wird, aber das ist ja ohnehin nur ein Randthema in dem Gesetz.
Über Thomas Jäger
Thomas Jäger ist Steuerberater und Gesellschafter-Geschäftsführer bei LM Audit & Tax GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Steuerberatungsgesellschaft in München.
LM betreut als Tax Boutique in- und ausländische Mandate aus den Bereichen Private Equity und Real Estate von der Tax Due Diligence über die laufende Tax Compliance bis zur Betriebsprüfung und – wenn es sein muß – dem Gang zur Finanzgericht. — Im Bereich Private Equity berät Herr Jäger mit seinem Team bei der Erstellung von Jahresabschlüssen und Steuererklärungen für inländische Gesellschafter internationaler Fondsstrukturen, bei Steuererklärungen nach Außensteuergesetz und Investmentsteuergesetz sowie der Erstellung von Tax Compliance Management Systemen (Tax CMS).