Internationale VCs haben deutsche Startups im Visier
Normalerweise passiert das nicht. In den Pre-Seed– oder Seed-Runden gibt es regelmäßig einen Hauptinvestor und die übrigen Teile der Finanzierung werden meist von einer Vielzahl von Business Angel und/oder Investmentclubs aufgefüllt.
Im konkreten Fall waren es besondere Umstände, die zu einer immens erfolgreichen Runde geführt haben: Die Qdrant Solutions GmbH wurde erst vor 1,5 Jahren gegründet, beschäftigt sich aber mit einem unglaublich spannenden und relevanten Geschäftsfeld. Die Software der Gesellschaft ist eine quelloffene Vektordatenbank sowie Vector Search Engine. In dem momentan äußerst gefragten Feld der künstlichen Intelligenz helfen Vektoren, unstrukturierte Inhalte wie Texte, Bilder oder Videos aufzufinden und verfügbar zu machen. OpenAI, die Firma, die hinter ChatGPT steckt, empfiehlt zur Suche über Vektoren unter anderem Qdrant. — Als weiterer Grund darf der Hauptinvestor genannt werden, der einen erfolgreichen Track Record für Technologieinvestments hat. Dies führte zu einer Sogwirkung, da auch andere Investoren von außen eine faktische Validierung der Idee und des Business Case gesehen hatten.
Die Finanzierungsrunde wurde innerhalb von sechs Wochen von Term Sheet bis Signing umgesetzt. Dies sprach für den Willen aller Beteiligten, relativ wenig Zeit mit den rechtlichen Details und mehr Zeit mit der wirtschaftlichen Entwicklung zu verbringen. Ein weiteres gewichtiges Indiz für eine großartige Entwicklung der Gesellschaft. Sollte sich der Markt für künstliche Intelligenz auch nur annähernd wie prognostiziert entwickeln, reden wir hier über ein Unternehmen, welches in zwei bis vier Jahren ein Einhorn sein könnte.
Diese Finanzierungsrunde verdeutlicht auch einen Trend, der mit dem Ende des billigen Geldes im Q3 2022 eingesetzt hat, nämlich, dass die VC-Investoren insgesamt noch sorgfältiger auf die Art des Investments achten. Daher wird die breite Masse an Start-Ups es schwerer haben, Finanzierungen zu erhalten, die vielversprechenden Start-Ups aber im Gegenzug noch stärker umworben werden. Die Start-Ups, die wir bei GreenGate aus unserer täglichen Arbeit vor allem aus den Start-Up-Hochburgen München und Berlin erleben, verfügen über äußerst interessante Technologieprodukte und Geschäftsmodelle, die mittel- bis langfristig der deutschen Wirtschaft gut tun werden.
Die Welt ist kleiner geworden und Lösungen von Technologieunternehmen, die in Deutschland funktionieren, können auf der ganzen Welt funktionieren. In diesem Bereich gibt es weder Sprachbarrieren noch Hemmnisse wegen Landesgrenzen. Insofern kann leichter internationales Geld angezogen werden. Warum es keine deutschen VC-Fonds gibt, die mit „tiefen Taschen“ in den späteren Finanzierungsrunden einsteigen, lässt sich kaum eindeutig beantworten.
Meines Erachtens liegt es auch an der Schwierigkeit des Exit via IPO. Wenn man älteren Marktteilnehmern zuhört, war die Erfahrung der Pleite des Neuen Marktes um die Jahrtausendwende wohl prägend und hat die Bereitschaft zur Einrichtung einer deutschen Technologiebörse (ähnlich der Nasdaq) erheblich gemindert. Zum Glück hat die Politik diese Lücke gesehen und unter anderem den DeepTech & Climate Fonds mit einer Milliarde Euro Volumen aufgelegt. Das macht zwar Hoffnung, ersetzt aber nicht die Notwendigkeit von privaten Geldern. Dass es Unternehmen für eine solche Technologiebörse gäbe, ist hinreichend bekannt und wird auch kontinuierlich validiert; zum Beispiel die gerade erst erfolgte strategische Lizenzvereinbarung zwischen der Tubulis GmbH aus Martinsried und Bristol Myers Squibb mit einem Volumen bis zu einer Milliarde US-Dollar spricht dafür eine deutliche Sprache.
Der HealthCare-Bereich in Deutschland ist unglaublich spannend. Den Start-Ups aus diesem Bereich wird es aber unnötig schwergemacht. Vorzeigeunternehmen wie die Wellster Healthtech Group, Virtonomy, Perfood, die Sanity Group oder auch Mushlabs haben extrem gute Geschäftsmodelle, können sich aber nicht ausschließlich auf die Patienten konzentrieren, sondern müssen erheblichen Aufwand betreiben, um den gesetzlichen Anforderungen nachzukommen. Es ist vollkommen klar, dass im HealthTech-Bereich andere Regeln als zum Beispiel bei einem Streamingdienst gelten müssen, das bezweifelt auch niemand.
Um aber wirklich die Gesundheit der Menschen zu verbessern und Deutschland auch in Zukunft zu einem Leuchtturm an medizinischer Versorgung machen zu können, müssten sich diverse Grundelemente des Gesundheitssystems ändern. Als Außenstehender sehe ich hierzu eher eine geringe Bereitschaft. Das ein oder andere Pharmaunternehmen würde sich eher eine deutliche Bewegung zu mehr Forschung und Entwicklung und weniger Verwaltung wünschen.