Mitarbeiterbeteiligung, GESSI und Treuepflichten
Ziel ist es, die Beteiligung von Mitarbeitern über eine „echte“ Gesellschafterstellung statt der gebräuchlichen virtuellen Phantom Stock-Modelle zu fördern. Das Problem der Dry Income Besteuerung des geldwerten Vorteils bei Übertragung „echter“ Anteile suchte der Gesetzgeber zunächst mit dem Fondsstandortgesetz für KMU’s dadurch zu lösen, dass er die Lohnbesteuerung auf bestimmte spätere Zeitpunkte verschob, nämlich bis zur Übertragung der Beteiligung, der Beendigung des Dienstverhältnisses und spätestens 12 Jahre nach Übertragung der Beteiligung. Die Schwachstellen dieser Regelung sollen nun durch das ZuFinG‑E behoben werden: Die KMU- Kriterien werden nach dem Referentenentwurf verdoppelt und damit der Anwendungsbereich erweitert; auch Unternehmen, deren Gründung 20 Jahre zurückliegt, werden erfasst; bei niedrigerer Abfindung (etwa im Bad Leaver Fall) wird nur diese besteuert, also nicht der höhere geldwerte Vorteil bei Einräumung; die Besteuerung erfolgt nur beim Verkauf im Fall der Übernahme der Haftung für die Lohnsteuer durch den Arbeitnehmer bei Ausscheiden. Zudem wird für den Arbeitgeber die Möglichkeit einer Pauschalbesteuerung mit 25% geschaffen.
Dies alles führt zu einer hohen Komplexität der Regelung. Am einfachsten wäre es, den Erlös aus einer Mitarbeiterbeteiligung generell nur bei Veräußerung oder Übertragung mit 25% zu besteuern und dabei auch Phantom Stock als Vermögensbeteiligung mit gleicher Besteuerung einzubeziehen. Dann erspart man sich auch das nach wie vor ungelöste Problem der Bewertung der Beteiligung im Zeitpunkt ihrer Einräumung, sofern sie nicht gerade im zeitlichen Zusammenhang mit einer Finanzierungsrunde steht. Hinzu kommt, dass aus Corporate Governance Gründen eine echte Beteiligung mehrerer Mitarbeiter nur empfehlenswert ist, wenn sie in einer Beteiligungsgesellschaft gebündelt sind; § 19a (1) 2 EStG lässt zu diesem Zweck die indirekte Beteiligung über eine Personengesellschaft ausdrücklich zu. — Es wird nach meiner Einschätzung sicher noch Zeit brauchen, bis die echte Mitarbeiterbeteiligung als Alternative zu virtuellen Beteiligungen in Betracht gezogen wird. Es kann sich aber lohnen, auch dafür Standardmodelle zu entwickeln. Ein Vorschlag für den Vertrag einer Mitarbeiter-KG findet sich etwa bereits im Anhang der 7. Aufl. meines VC-Handbuchs.
GESSI steht für das deutsche „Standards Setting Institute“. Hier werden auf Initiative von BAND und dem German Start-up Verband deutsch-englische Musterverträge mit Erläuterungen entwickelt, die jedermann frei zum Abruf zur Verfügung stehen. Mein Bestreben war es im Interesse von Business Angels und Start-ups eine möglichst einfache und kostengünstige Vertragsstruktur zu schaffen. In Deutschland sind vor allem die vergleichsweise hohen Notarkosten für die Beurkundung eines Beteiligungsvertrags eine Belastung, die es so im internationalen Vergleich nirgends gibt. Zur notariellen Form gelangt man, wenn Übertragungspflichten für Geschäftsanteile im Beteiligungsertrag geregelt werden. Dafür bedarf es nach § 15 (4) GmbHG der notariellen Form, die den gesamten Vertrag erfasst. Dann berechnen sich die Notarkosten nicht nur aus dem Investment, sondern zusätzlich auch aus der Post money- Bewertung abzüglich des auf die kleinste Beteiligung entfallenden Werts, da dies den Wert der Mitverkaufspflicht bestimmt. Verschiebt man diese Regeln aber in die Satzung, ist dem Beurkundungserfordernis Genüge getan und bleibt es allein bei der Berechnung der ohnehin erforderlichen Satzungsänderung, für die ein geringer fester Betrag anzusetzen ist. Wegen der Frage, ob für die nominale Kapitalerhöhung zusätzlich die gesondert vereinbarte Zuzahlung anzusetzen ist, habe ich eine Sprungrechtsbeschwerde zum BGH anhängig gemacht, über die eine Entscheidung aussteht.
Ohnehin ist aber das Beurkundungserfordernis für Anteile an einer GmbH und ebenso einer UG (haftungsbeschränkt) ein Fremdkörper, nicht nur weil für Aktienübertragungen keine solche Form gilt, sondern auch weil wegen der beim Handelsregister zu hinterlegenden Gesellschafterliste ausreichende Rechtssicherheit zur Anteilsinhaberschaft hergestellt wird. Das ZuFinG‑E sieht die Digitalisierung von Aktien vor. Bei der in der Praxis überwiegenden Rechtsform der GmbH und UG (haftungsbeschränkt) wird aber an keine Reform gedacht. Dabei wäre die Abschaffung des dort geltenden notariellen Formerfordernisses, bereits durch das ZuFinG, ein echter „Game Changer“.
Dank der staatlichen Unterstützungsmaßnahmen blieb die VC-Szene auch während der Pandemie stabil. Mit dem Ukraine-Krieg, der Energiekrise und der Inflation mit steigenden Zinsen, aber auch mit neuen Unsicherheiten bei den US-Banken halten sich Investoren wieder zurück. Das führt vor allem zu niedrigeren Bewertungen, die sich damit nach meinem Eindruck damit wieder auf ein normales Niveau zubewegen. Multiplikatoren oder eine Verzinsung auf Liquidationspräferenzen sieht man trotzdem nicht, auch nicht eine Umkehr zur Nichtanrechenbarkeit solcher Präferenzen. Auch der Verwässerungsschutz bleibt idR gewichtet. Wer investiert, tut dies also idR zu den alten Regeln. Dies ist auch gut so, damit keine die Frühphaseninvestoren und Gründer belastende Vorzeichen für spätere Runden geschaffen werden. Einem „pay to play“, der einen mittelbaren Druck für Folgeinvestments schafft, wird sich ein Neuinvestor in dieser unsicheren Zeit nicht unterwerfen.
Zu beobachten ist, dass erheblicher Druck im Sinne eines „Sanierens oder Ausscheidens“ bei insolvenznahen Start-ups durch finanzierungsbereite Gesellschafter gegenüber nicht dazu bereiten Mitgesellschaftern erzeugt wird. Eine Pflicht zum Ausscheiden kann aber bei einer Kapitalgesellschaft nicht aus der Treuepflicht abgeleitet werden. Es darf nur keine Kapitalmaßnahme aus Eigennutz blockiert werden, wenn sie nachweislich zur Rettung der Gesellschaft führt. Daraus folgende Verwässerungseffekte, auch risikoangemessene Vergütungen, sind hinzunehmen. Da sich der Inhalt der allgemeinen Treuepflicht maßgeblich danach bestimmt, was die Gesellschafter vereinbart haben, empfiehlt es sich aber, die Voraussetzungen einer weiteren Finanzierung (so wie die Mitverkaufspflicht) im Voraus festzulegen, nämlich im Sinne einer Mitwirkungspflicht, wenn eine Mehrheit der Gesellschafter/ Investoren dafür stimmt, vorausgesetzt dass keinem Gesellschafter eine Nachschusspflicht auferlegt wird, ihm keine Sonderrechte entzogen werden und der Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet wird. Die Vereinbarung einer solchen Mitwirkungspflicht ist deshalb wesentlich, weil die Änderung einer Beteiligungsvereinbarung andernfalls die Zustimmung aller Vertragsparteien erfordert. Als Mehrheit bietet sich dafür, wie für die Satzungsänderung, die qualifizierte Mehrheit von 75% an. Dient die Finanzierung der Abwendung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit, sollte man aber die einfache Mehrheit der Gesellschafter/Investoren genügen lassen. Das ist zwar ohne Vollmachtsregelung nicht „self-executing“, doch schafft das zumindest Klarheit bei den Spielregeln.
Über Dr. Wolfgang Weitnauer
Dr. Wolfgang Weitnauer berät schwerpunktmäßig Beteiligungsgesellschaften und junge Technologieunternehmen in allen rechtlichen Themen von Finanzierungsrunden und bei Verkaufstransaktionen. Seine Schwerpunkte umfassen Gesellschafts- und Handelsrecht, Mergers & Acquisitions, Unternehmensfinanzierung und –beteiligungen, Fondsstrukturierung und regulatorische Fragen.
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