Potenziale der Digital-Due-Diligence
Es ist in der Tat so, dass Private Equity-Fonds nach wie vor unbekümmert Millionenbeträge in stationäre Handelskonzepte investieren, die unter den meisten Analysten zu Recht als nicht zukunftsfähig gelten. Zumal es an diesen Fonds nicht vorbeigehen kann, dass sich die betroffenen Bereiche ihrer Portfolios eher dürftig entwickeln. So sind Entscheidungen, solche Positionen zu behalten oder gar auszubauen, eigentlich nur dann nachvollziehbar, wenn man den Investment-Managern unterstellt, einen knallharten Optimierungsansatz zu verfolgen. Denn wer bei stationären Warenhäusern, Buchhandelsketten oder Reisebürobetreibern an einen Turnaround und eine Rückkehr zu reellem Wachstum glaubt, wäre schlicht falsch informiert. Wir leben in radikalen Zeiten, in denen etablierte Geschäftsmodelle binnen kürzester Zeit untergehen können.
Angesichts des Phänomens „Disruption“ müssten Private Equity-Fonds ihre Bewertungsmuster nicht nur um eine Komponente „Digitales“ ergänzen, sondern von Grund auf völlig überdenken. Am Anfang einer jeglichen Due-Diligence sollte jetzt immer eine GAFA-Analyse stehen.
Die erste Frage auf dem Weg zu einer Investitionsentscheidung sollte immer und ohne Ausnahme sein: Wie stellt sich das Unternehmen in Bezug auf die Plattformen Google, Amazon, Facebook und Apple (kurz GAFA) auf? Denn diese beherrschen immer weitere Teile der Volkswirtschaft. Selbst, wenn bei ihnen kein Produkt oder Dienstleistung direkt gekauft werden (und das ist immer öfter der Fall), bestimmen sie, was Konsumenten – und zunehmend auch professionelle Einkäufer – an Angeboten zu sehen bekommen, wie sie diese bewerten und sogar was sie für möglich halten. So muss immer geprüft werden, inwieweit das Geschäftsmodell des Unternehmens von diesen Plattformen angegriffen worden oder angreifbar ist.
Investoren müssen erkennen lernen, welche Hersteller besonders gut mit neuen Konsumgewohnheiten umgehen – und die Fähigkeit entwickeln, den Zurückgebliebenen zu helfen.
Es ist immer wieder überraschend, dass Private Equity-Unternehmen substanzielles Geld für Financial- und Legal Due Diligence durch ausgewiesene Experten ausgeben, sich aber mit – offen gesprochen – amateurhaften Prüfungen von digitalen Kennzahlen zufrieden geben. Eine wirklich fundierte Digital Due Diligence durch ausgewiesene Experten sollte genauso zum Standardprogramm gehören, wie es finanzielle und rechtliche Prüfungen längst tun. Auch „maybe“-Einhörnern muss man ins Maul schauen – und die Zahnreihenfolge sollte man an der Stelle schon kennen. — Die Leistungsbilanzen für Private Equity-Fonds, die nicht nur auf die Digitalisierung reagieren, sondern sie sich proaktiv zunutze machen, sind ausgesprochen gut.
Man muss Digital Business und seine Regeln im Detail verstehen, um das dort vorhandene Potenzial für sein Investment Portfolio realisieren zu können. Bei Due Diligence-Prozessen, die im Auftrag von Private Equity-Fonds durchgeführt werden, fällt auf, dass Fachwissen fehlt und so oft völlig am Wesentlichen vorbei analysiert wird. Beispielsweise prüfen etwa Ernst & Young, KPMG & Co. doch ernsthaft digitale Geschäftsmodelle auf deren kurz- und mittelfristige Wirtschaftlichkeit und erstellen seitenweise Gutachten voller KPIs, die eigentlich nur von E‑Commerce- und Online-Marketing-Experten evaluiert werden können.
Betrachtet man die Marketingausgaben im Digitalen, so gilt fast ausnahmslos: Wer zuerst wegguckt, verliert. — Hohe Spendings sind nicht nur die Regel, sondern oft die Voraussetzung, die kritische Größe zu erreichen, unter der es langfristig nicht funktioniert. Erst wenn die Zahl der Wiederkäufer signifikant ansteigt, ist ein Ende der Geldverbrennphase auch nur annähernd in Sicht. — Solche Zusammenhänge müssen verstanden sein, sonst läuft man Gefahr, bei solchen Konzepten viel Geld zu verlieren.