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3 Fragen an kluge Köpfe
Foto: Dr. Jürgen Michels

Status quo und Ausblick für die Wirtschaft in Europa

Dazu 3 Fragen an Dr. Jürgen Michels

BayernLB, München
Foto: Dr. Jürgen Michels
30. Okto­ber 2024

Nicht nur wegen der andau­ern­den krie­ge­ri­schen Ausein­an­der­set­zung auf der Welt kommt dem „Risi­ko­fak­tor Geopo­li­tik“ auch kurz­fris­tig eine beson­dere Bedeu­tung zu. Am 05. Novem­ber 2024 stehen mit den Wahlen in den USA ein heraus­ra­gen­des Ereig­nis an, das zahl­rei­che Auswir­kun­gen nach sich ziehen wird.


Dazu 3 Fragen an Dr. Jürgen Michels, Chef­volks­wirt der BayernLB, München

1. Zahl­rei­che Fakto­ren bestim­men die geopo­li­ti­sche Entwick­lung welt­weit. Wie schät­zen Sie den Ausgang der Wahlen am 05. Novem­ber 2024 in den USA ein?
Trump 2.0 erscheint am wahr­schein­lichste. Wir gehen in unse­rem Basis-Szena­rio davon aus, dass Donald Trump die US-Präsidentschaftswahlen gewinnt und mit einer Mehr­heit der Repu­bli­ka­ner in beiden Häusern zunächst „durch­re­gie­ren“ kann. Auch in Europa erscheint eine weitere poli­ti­sche Pola­ri­sie­rung wahr­schein­lich. Zwar wurde mit der klaren Wieder­wahl von Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin verhin­dert, dass die EU führungslos in eine zweite Trump-Präsidentschaft geht. Mit einer zu erwar­ten­den Stärkung der poli­ti­schen Ränder bei der Bundes­tags­wahl 2025 und insbe­son­dere durch eine Wahl von Marine Le Pen zur französischen Präsidentin 2027 droht jedoch neues Unge­mach. – Dabei ist uns bewusst, dass diese Annah­men mit hoher Unsi­cher­heit verbun­den sind und die geopo­li­ti­sche Eska­la­ti­ons­ge­fahr hoch bleibt.
2. Welche Prio­ri­tä­ten sehen Sie aller Voraus­sicht nach bei Trump, sofern er an die Macht kommt? Und wie würden dann die Auswir­kun­gen in den USA aussehen?
Protek­tio­nis­mus und lockere Fiskal­po­li­tik stehen auf Trumps Agenda. Ganz oben auf der Prioritätenliste stehen die Anhe­bung von Zöllen gegenüber dem syste­mi­schen Riva­len China und vor allem Staa­ten mit großen Handelsbilanzüberschüssen mit den USA und eine strikte Reduk­tion der Einwan­de­rung. Neben diesen protek­tio­nis­ti­schen Maßnah­men dürfte Trump 2.0 eine zusätzliche Locke­rung der Fiskal­po­li­tik anstre­ben. Insge­samt wird es im Vergleich zu einer demo­kra­ti­schen Präsidentschaft zu höheren Defi­zi­ten und Schul­den kommen. Ferner dürfte die Unsi­cher­heit unter Trump zuneh­men. Das heißt, die ohne­hin fragile geopo­li­ti­sche Lage wird durch eine zweite Präsidentschaft Donald Trumps noch unsi­che­rer und die Gefahr der Auswei­tung von regio­na­len Konflik­ten nimmt zu. In den USA erwar­ten wir, daß die breit­an­ge­legte Anhe­bung der US-Zölle kurz nach der Machtübernahme in die Tat umge­setzt wird. – Die geplante deut­li­che Einschränkung der Einwan­de­rung oder gar eine Rückführung von Immi­gran­ten wird zu einer Verschärfung der durch das Ausschei­den der Baby-Boomer ohne­hin ange­spann­ten Arbeitskräftesituation führen. Das heisst, die ange­kün­digte Immi­gra­ti­ons­po­li­tik erhöht Lohn­druck. Mittel­fris­tig ist auch ein schwächeres US-Wirt­schafts­wachs­tum aufgrund höherer Infla­tion und Zinsen zu erwarten.
3. Welche Auswir­kun­gen sind auf den Rest der Welt und Europa zu erwar­ten bei einer Macht­über­nahme Trumps?
Wir rech­nen damit, dass die von den US-Zöllen betrof­fe­nen Länder mit Gegen­maß­nah­men reagie­ren werden. Diese werden dann in den entspre­chen­den Länden zusätzlichen Infla­ti­ons­druck gene­rie­ren. Doch es gibt auch Gewin­ner der Trump-Poli­tik. – Die Zollan­he­bun­gen werden den inter­na­tio­na­len Handel zusätzlich belas­ten, was vor allem Länder mit Exportüberschüssen wie China und Deutsch­land tref­fen wird. Es wird aber auch Länder geben, die „Deals“ mit Präsident Trump machen werden (z.B. Indien) oder aufgrund von exis­tie­ren­den Frei­han­dels­ab­kom­men nur geringfügig (wenn überhaupt) von den Zöllen belas­tet werden. Diese Länder könnten von Um- schich­tun­gen von Produk­ti­ons­an­la­gen profi­tie­ren. Neben Mexiko und Kanada ist auch Japan daher auf der Liste der möglichen Profi­teure einer neuen Trump- Admi­nis­tra­tion. Der Rest der Welt dürfte vor allem von den geopo­li­ti­schen Weichen­stel­lun­gen einer Trump-Admi­nis­tra­tion betrof­fen sein. Haupt­leid­tra­gende davon dürften Europa und China sein. Europa wird dabei vom US-Rich­tungs­wech­sel in der Ukraine- und der Nato-Poli­tik betrof­fen sein. Unter dem US-Druck dürfte die EU zusätzliche Mittel zur Unterstützung der Ukraine mobi­li­sie­ren und eine eigene Vertei­di­gungs­stra­te­gie voran­trei­ben. In einem solchen Umfeld dürften die bisher umstrit­te­nen Empfeh­lun­gen des Draghi-Reports zu einer Umset­zung kommen. Unter dem Druck von außen besteht die Chance, dass es nicht nur zu gemein­sa­men Initia­ti­ven bei der Vertei­di­gung kommt, sondern die vorge­schla­ge­nen weit­rei­chen­den Maßnah­men zur Überwindung der struk­tu­rel­len Wachstumsschwäche in der EU in Angriff genom­men werden. Die von Draghi gefor­der­ten Gemein­schafts­an­lei­hen werden wohl dann auch Realität werden.   Dr. Jürgen Michels ist seit Okto­ber 2013 Chef­volks­wirt und Leiter Rese­arch der BayernLB in München. Vor seinem Start bei der BayernLB arbei­tete er zwischen 66 2002 und 2013 als kapi­tal­markt­ori­en­tier­ter Euro-Raum Volks­wirt bei der Citigroup in London, seit 2008 als Euro-Raum Chef­volks­wirt. Von 1997 bis 2002 arbei­tete er als Volks­wirt bei Sal. Oppen­heim in Köln und von 1996 bis 1997 als wissen­schaft­li­cher Mitar­bei­ter am Insti­tut für Inter­na­tio­nale Wirt­schafts­po­li­tik der Universität Bonn. — Dr. Michels studierte Volks­wirt­schaft an der Universität Bonn. Er promo­vierte mit einer Arbeit zu Zentral­bank­stra­te­gien an der Universität Frankfurt. 

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