Status quo und Ausblick für die Wirtschaft in Europa
Trump 2.0 erscheint am wahrscheinlichste. Wir gehen in unserem Basis-Szenario davon aus, dass Donald Trump die US-Präsidentschaftswahlen gewinnt und mit einer Mehrheit der Republikaner in beiden Häusern zunächst „durchregieren“ kann. Auch in Europa erscheint eine weitere politische Polarisierung wahrscheinlich. Zwar wurde mit der klaren Wiederwahl von Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin verhindert, dass die EU führungslos in eine zweite Trump-Präsidentschaft geht. Mit einer zu erwartenden Stärkung der politischen Ränder bei der Bundestagswahl 2025 und insbesondere durch eine Wahl von Marine Le Pen zur französischen Präsidentin 2027 droht jedoch neues Ungemach. – Dabei ist uns bewusst, dass diese Annahmen mit hoher Unsicherheit verbunden sind und die geopolitische Eskalationsgefahr hoch bleibt.
Protektionismus und lockere Fiskalpolitik stehen auf Trumps Agenda. Ganz oben auf der Prioritätenliste stehen die Anhebung von Zöllen gegenüber dem systemischen Rivalen China und vor allem Staaten mit großen Handelsbilanzüberschüssen mit den USA und eine strikte Reduktion der Einwanderung. Neben diesen protektionistischen Maßnahmen dürfte Trump 2.0 eine zusätzliche Lockerung der Fiskalpolitik anstreben. Insgesamt wird es im Vergleich zu einer demokratischen Präsidentschaft zu höheren Defiziten und Schulden kommen.
Ferner dürfte die Unsicherheit unter Trump zunehmen. Das heißt, die ohnehin fragile geopolitische Lage wird durch eine zweite Präsidentschaft Donald Trumps noch unsicherer und die Gefahr der Ausweitung von regionalen Konflikten nimmt zu.
In den USA erwarten wir, daß die breitangelegte Anhebung der US-Zölle kurz nach der Machtübernahme in die Tat umgesetzt wird. – Die geplante deutliche Einschränkung der Einwanderung oder gar eine Rückführung von Immigranten wird zu einer Verschärfung der durch das Ausscheiden der Baby-Boomer ohnehin angespannten Arbeitskräftesituation führen. Das heisst, die angekündigte Immigrationspolitik erhöht Lohndruck. Mittelfristig ist auch ein schwächeres US-Wirtschaftswachstum aufgrund höherer Inflation und Zinsen zu erwarten.
Wir rechnen damit, dass die von den US-Zöllen betroffenen Länder mit Gegenmaßnahmen reagieren werden. Diese werden dann in den entsprechenden Länden zusätzlichen Inflationsdruck generieren.
Doch es gibt auch Gewinner der Trump-Politik. – Die Zollanhebungen werden den internationalen Handel zusätzlich belasten, was vor allem Länder mit Exportüberschüssen wie China und Deutschland treffen wird. Es wird aber auch Länder geben, die „Deals“ mit Präsident Trump machen werden (z.B. Indien) oder aufgrund von existierenden Freihandelsabkommen nur geringfügig (wenn überhaupt) von den Zöllen belastet werden. Diese Länder könnten von Um- schichtungen von Produktionsanlagen profitieren. Neben Mexiko und Kanada ist auch Japan daher auf der Liste der möglichen Profiteure einer neuen Trump- Administration.
Der Rest der Welt dürfte vor allem von den geopolitischen Weichenstellungen einer Trump-Administration betroffen sein. Hauptleidtragende davon dürften Europa und China sein. Europa wird dabei vom US-Richtungswechsel in der Ukraine- und der Nato-Politik betroffen sein. Unter dem US-Druck dürfte die EU zusätzliche Mittel zur Unterstützung der Ukraine mobilisieren und eine eigene Verteidigungsstrategie vorantreiben. In einem solchen Umfeld dürften die bisher umstrittenen Empfehlungen des Draghi-Reports zu einer Umsetzung kommen. Unter dem Druck von außen besteht die Chance, dass es nicht nur zu gemeinsamen Initiativen bei der Verteidigung kommt, sondern die vorgeschlagenen weitreichenden Maßnahmen zur Überwindung der strukturellen Wachstumsschwäche in der EU in Angriff genommen werden. Die von Draghi geforderten Gemeinschaftsanleihen werden wohl dann auch Realität werden.
Dr. Jürgen Michels ist seit Oktober 2013 Chefvolkswirt und Leiter Research der BayernLB in München. Vor seinem Start bei der BayernLB arbeitete er zwischen 66 2002 und 2013 als kapitalmarktorientierter Euro-Raum Volkswirt bei der Citigroup in London, seit 2008 als Euro-Raum Chefvolkswirt. Von 1997 bis 2002 arbeitete er als Volkswirt bei Sal. Oppenheim in Köln und von 1996 bis 1997 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Internationale Wirtschaftspolitik der Universität Bonn. — Dr. Michels studierte Volkswirtschaft an der Universität Bonn. Er promovierte mit einer Arbeit zu Zentralbankstrategien an der Universität Frankfurt.