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FÜR UNTERNEHMER UND INVESTOREN
3 Fragen an kluge Köpfe
Foto: Sébastien Graf von Westphalen

Unternehmensverkauf: Anpacken, um loszulassen

Dazu 3 Fragen an Sébastien Graf von Westphalen

8P Part­ner­schaft mbB in Siegen
Foto: Sébas­tien Graf von Westphalen
29. Juni 2021

Nur wenige Themen sind für den Unter­neh­mer schwie­ri­ger als die Gestal­tung und Umset­zung seiner eige­nen Unter­neh­mens­nach­folge (der „Prozess“). Regel­mä­ßig verschließt der Unter­neh­mer vor diesem Thema gerne die Augen und lässt es mit dem Prin­zip Hoff­nung auf sich zukommen.
Die meis­ten denken nicht darüber nach, wie eine profes­sio­nelle Vorbe­rei­tung ist. Beim Unter­neh­mens­ver­kauf im Mittel­stand spie­len viele Heraus­for­de­run­gen eine Rolle.


Dazu 3 Fragen an Sébas­tien Graf von West­pha­len, Part­ner und Rechts­an­walt bei 8P Part­ner­schaft mbB in Siegen

1. Wie führen Sie Ihre Auftrag­ge­ber an den Verkaufs­pro­zess heran?
Aus meiner Erfah­rung ist für den Bera­ter das oberste Ziel, dass der Unter­neh­mer den Prozess als Projekt für sich und sein Unter­neh­men verste­hen und erfas­sen muss. Er muss sein Lebens­werk für die Zukunft sichern und fit machen wollen, dann wird dieser Prozess für ihn mindes­tens so wich­tig, wie die Entwick­lung eines neuen Produk­tes, oder die erfolg­rei­che Umset­zung ande­rer Trans­for­ma­ti­ons­pro­zesse. Entschei­dend ist hier­bei, dass bei „unter­neh­mens­in­ter­nen“ Projek­ten und Prozes­sen eine gewisse Dyna­mik aufge­baut und aufrecht­erhal­ten wird. Schwächt sich diese Dyna­mik zu stark ab, so besteht die Gefahr, dass der Trans­ak­ti­ons­pro­zess zerfa­sert und nicht erfolg­reich zu Ende geführt werden kann. Um die Dyna­mik aufzu­bauen und aufrecht­zu­er­hal­ten ist es hilf­reich dem Unter­neh­mer den Prozess, sowie die einzel­nen Prozess­schritte und ihre Wirkungs­weise einge­hend zu erläu­tern. Je besser der Unter­neh­mer den Prozess versteht und die Dyna­mi­ken verin­ner­licht, desto ziel­si­che­rer kann der Prozess geführt werden. Auch geht es hier­bei darum, dem Unter­neh­mer klar­zu­ma­chen, dass nach dem Verkauf zwar der Erwer­ber die Geschi­cke des Unter­neh­mens lenken wird, dass der Verkäu­fer aber durch einen struk­tu­rier­ten und profes­sio­nel­len Prozess, die grund­sätz­li­che Ausrich­tung für eine begrenzte Zeit mitbe­ein­flus­sen kann, indem er die Weichen rich­tig stellt. In dieser Phase muss der betreu­ende Anwalt regel­mä­ßig die Rolle über­neh­men, die bei größe­ren Trans­ak­tio­nen der M&A‑Berater wahr­nimmt. Es sind die einzel­nen Prozess­schritte darzu­stel­len und dem Unter­neh­mer als Nicht­fach­mann einge­hend zu erläu­tern, um ihn „mit auf die Reise zu nehmen“ und ein dezi­dier­tes Erwartungs‑, Kommunikations‑, und Zeit­ma­nage­ment zu pfle­gen. Nur so kann man den Unter­neh­mer emotio­nal mitein­bin­den, ihm vermit­teln, dass der Bera­ter den Prozess im Griff hat und versu­chen, bei ihm ein „Anpa­cken mit Blick auf das Loslas­sen“ auszu­lö­sen. Die juris­ti­schen und betriebs­wirt­schaft­li­chen Fragen stehen dabei weit hinter den psycho­lo­gi­schen Schwie­rig­kei­ten zurück. In diesem Zusam­men­hang muss der Unter­neh­mer einen schwie­ri­gen Perspek­tiv­wech­sel vorneh­men. Bis hier­hin hat er regel­mä­ßig alleine entschie­den, selten nur den Rat oder auch nur die Sicht­weise von Drit­ten einge­holt. Nach 20 oder mehr Jahren sagt ihm plötz­lich ein Frem­der, und zwar in einem Bereich, in dem er bisher unein­ge­schränkt bestimmt hat, nämlich in seiner Firma, was zu tun und zu lassen, mit wem wann zu spre­chen ist, was und wie zu kommu­ni­zie­ren ist. Dieser Perspek­tiv­wech­sel ist psycho­lo­gisch eine ziem­li­che Heraus­for­de­rung; auch, weil er über einen längere Dauer durch­ge­hal­ten und verin­ner­licht werden muss. Aus meiner Sicht kann dies nur gelin­gen, indem der Unter­neh­mer erfolg­reich in den Prozess einge­bun­den wird und er ihn zu seinem Prozess macht.
2. Wie kann man die aufge­zeig­ten Risi­ken mini­mie­ren und wo lauern kriti­sche Momente?
Die Einbin­dung des Unter­neh­mers in den Prozess wird auch durch die früh­zei­tige Erstel­lung eines (virtu­el­len) Daten­rau­mes auf Grund­lage einer umfas­sen­der Due Dili­gence-Liste verein­facht. Zwar legt der Kauf­in­ter­es­sent regel­mä­ßig seine Due Dili­gence-Liste vor – wartet man aber bis zu diesem Zeit­punkt, geht wert­volle Zeit verlo­ren und häufig entge­hen dem Bera­ter wich­tige Aspekte und Details, die später zu unan­ge­neh­men Nach­fra­gen seitens des Käufers führen und Auswir­kun­gen auf den Preis oder die Gewähr­leis­tun­gen haben können. Die Erfah­rung lehrt auch, dass sich dies im Vorfeld besser orga­ni­sie­ren und umset­zen lässt als ab einem Zeit­punkt, zu dem bereits ein Letter of Intent unter­zeich­net ist und der Unter­neh­mer denkt, jetzt sei doch eigent­lich schon so gut wie alles erle­digt. Letzt­lich ermög­licht diese Übung aber auch dem Unter­neh­mer selbst, sein Unter­neh­men kritisch zu beleuch­ten, Schwach­stel­len aufzu­de­cken und mögli­cher­wiese sogar im Vorfeld abzu­stel­len. Im Rahmen der Zusam­men­stel­lung des Daten­raums wird auch häufig sicht­bar, dass der Unter­neh­mer private Hobbies und Vorlie­ben nicht strin­gent von den unter­neh­me­ri­schen Belan­gen getrennt hat, sondern eine wirt­schaft­li­che Verqui­ckung der beiden Sphä­ren besteht. Beson­ders beliebt ist der mit Edel­ka­ros­sen bestückte Fuhr­park, das Sport­flug­zeug oder Ähnli­ches. Neben steu­er­li­chen Risi­ken hat der poten­ti­elle Erwer­ber dies­be­züg­lich häufig andere Vorstel­lun­gen, sodass es sinn­voll sein kann, diese Themen bereits vorher zu berei­ni­gen, auch weil sie mögli­cher­weise Auswir­kung auf die Kauf­preis­be­stim­mung haben können. Werden die damit verbun­de­nen Kosten früh­zei­tig erkannt und elimi­niert, so kann dies eine nicht zu unter­schät­zende Auswir­kung auf die Bewer­tung haben. Die Erstel­lung und Durch­sicht des Daten­raums durch den Bera­ter erweist sich auch im Hinblick auf den zentrals­ten Punkt des Prozes­ses als hilf­reich: Der Kauf­preis­be­stim­mung. Häufig hat der Unter­neh­mer eine klare Vorstel­lung vom Wert und Preis seines Unter­neh­mens. Regel­mä­ßig rangiert diese Vorstel­lung von ambi­tio­niert bis völlig unrea­lis­tisch. Um die Wert­vor­stel­lun­gen zu objek­ti­vie­ren und zu unter­mau­ern, sind Erkennt­nisse aus dem Daten­raum regel­mä­ßig hilf­reich und bieten auch eine gute Argu­men­ta­ti­ons­hilfe zur Darstel­lung und Vertei­di­gung des gefor­der­ten Prei­ses gegen­über dem Käufer, der dies­be­züg­lich natur­ge­mäß ein entge­gen­ge­setz­tes Inter­esse hat. Häufig nimmt der Unter­neh­mer die Verhand­lung des LOIs in Eigen­re­gie vor und es werden hand­werk­lich fehler­hafte oder unvoll­stän­dige Abspra­chen getrof­fen, die wesent­li­che Themen nicht abbil­den oder bei denen die Parteien uner­kann­ter­weise unter­schied­li­che Vorstel­lun­gen haben. Ob dies aus Spar­sam­keits­grün­den erfolgt oder weil der Unter­neh­mer meint, erst bei Vorlie­gen eines LOIs mache es Sinn, einen Bera­ter hinzu­zie­hen, ist schwer zu beur­tei­len. Sicher ist jedoch, dass ein unpro­fes­sio­nell abge­fass­ter LOI die anschlie­ßen­den Verhand­lun­gen eher erschwert statt sie zu erleich­tern. So haben Käufer und Verkäu­fer regel­mä­ßig unter­schied­li­che Vorstel­lun­gen betref­fend die Zuord­nung des Ergeb­nis­ses des laufen­den Wirt­schafts­jah­res, wobei dieser Punkt von ihnen aber nur in den seltens­ten Fällen gere­gelt wird. Dabei kann es aber schnell um einen höhe­ren sechs­stel­li­gen Betrag gehen. Im Vergleich dazu sind die Bera­ter­kos­ten schnell die sprich­wört­li­chen „Peanuts“. Der Verkäu­fer ist auf die Risi­ken im Zusam­men­hang mit sog. „Earn-Out-Bestim­mun­gen“ hinzu­wei­sen. Regel­mä­ßig werden Kauf­an­ge­bote mit Earn-Out-Bestim­mun­gen geschmückt, die einen erheb­li­chen Kauf­preis­an­teil in die Zukunft verschie­ben und von der Errei­chung bestimm­ter wirt­schaft­li­cher Ziele abhän­gig gemacht werden. Der Verkäu­fer ist aber nach Voll­zug der Trans­ak­tion nicht mehr Herr im Haus, sofern er über­haupt noch in der Geschäfts­füh­rung tätig und nicht als Bera­ter beschäf­tigt ist. Damit hat er regel­mä­ßig keine wirk­li­che Hand­habe betref­fend die verein­barte Ziel­er­rei­chung und damit keinen Einfluss auf den Auszah­lungs­an­spruch. Schnell werden gerade klei­nere Unter­neh­men nach Abschluss einer Trans­ak­tion von dem Erwer­ber in seine Orga­ni­sa­tion und Struk­tur einge­glie­dert, was aus Käufer­sicht sinn­voll sein mag, aber für die Bestim­mung des Earn-Outs erheb­li­che Fragen und Schwie­rig­kei­ten aufwirft und damit einen hohen Unsi­cher­heits­fak­tor für den Verkäu­fer darstel­len. Häufig erle­ben wir es, dass poten­ti­elle Käufer unter Umge­hung der Bera­ter versu­chen, direkt mit dem Unter­neh­mer zu verhan­deln und sie so von den Bera­tern aufge­stellte Bedin­gun­gen umge­hen oder aushe­beln. Beliebt ist hier­bei die Stra­te­gie des poten­ti­el­len Käufers, dem Unter­neh­mer zu sugge­rie­ren, dass die von ihm beauf­trag­ten Bera­ter die Trans­ak­tion unnö­tig verkom­pli­zie­ren und in die Länge ziehen. Ziel ist dabei, den Unter­neh­mer dazu zu veran­las­sen, doch direkt mit dem Käufer zu spre­chen und so „einen schnel­len Deal“ hinzu­be­kom­men, denn eigent­lich „sei man sich doch schon einig“. Dabei ist dem Unter­neh­mer aufgrund fehlen­der Erfah­rung gar nicht immer klar, welche Auswir­kun­gen die von ihm gemach­ten „Zuge­ständ­nisse“ wirt­schaft­lich für ihn bedeu­ten. Ein Zurück hinter die gemachte Zusage ist dann regel­mä­ßig ohne Gesichts­ver­lust nicht ohne Weite­res möglich. Ganz entschei­dend ist daher auch ein strin­gen­tes Kommunikationsmanagement.
3. Welches sind die wich­tigs­ten Grund­re­geln in diesem „Prozess“ für den Unternehmer?
  • Begreife den Prozess als ein unter­neh­mens­in­ter­nes Projekt.
  • Wähle den Bera­ter, dem Du vertraust und nicht den, der die am meis­ten verspricht.
  • Sei bereit für ein klares Zeit- und Kommu­ni­ka­ti­ons­ma­nage­ment mit Deinem Berater.
  • Sprich lieber mit Deinem Bera­ter als mit dem poten­ti­el­len Käufer.
  • Die Zukunft des Unter­neh­mens wird durch den Käufer verant­wor­tet, aber Du kannst bestim­men, wer das sein wird.
  Über Sébas­tien Graf von Westphalen Rechts­an­walt seit 1995. Tätig­keits­schwer­punkte sind Gesell­schafts­recht, M&A, Bera­tung von mittel­stän­di­schen Unter­neh­men und Fami­lien im In- und Ausland (vornehm­lich Frank­reich), Struk­tu­rie­rung und Verhand­lung von Joint Ventures, Private Equity kürz­lich beglei­tete Transaktionen: LISI SA seit 2 Jahr­zehn­ten bei allen deut­schen Akqui­si­tio­nen und Verkäu­fen; Deut­scher Fami­li­en­kon­zern beim Erwerb einer nieder­län­di­schen Ziel­ge­sell­schaft; Deut­scher Fami­li­en­kon­zern beim Erwerb einer italie­ni­schen Ziel­ge­sell­schaft; Beglei­tung der Gesell­schaf­ter bei der Nach­fol­ge­lö­sung und dem Verkauf an HG Capi­tal; Beglei­tung und Struk­tu­rie­rung des Verkaufs eines Unter­neh­mens­teils im Bereich Fertig­bau; Beglei­tung eines franz. Fami­li­en­kon­zerns beim Kauf einer Kinder­gar­ten­kette; Gesell­schafts­recht­li­che Restruk­tu­rie­rung eines mittel­stän­di­schen Pharmaunternehmens; 

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