Unternehmensverkauf: Anpacken, um loszulassen
8P Partnerschaft mbB in Siegen
Weitere Interviews
29. Juni 2021
1. Wie führen Sie Ihre Auftraggeber an den Verkaufsprozess heran?
Aus meiner Erfahrung ist für den Berater das oberste Ziel, dass der Unternehmer den Prozess als Projekt für sich und sein Unternehmen verstehen und erfassen muss. Er muss sein Lebenswerk für die Zukunft sichern und fit machen wollen, dann wird dieser Prozess für ihn mindestens so wichtig, wie die Entwicklung eines neuen Produktes, oder die erfolgreiche Umsetzung anderer Transformationsprozesse. Entscheidend ist hierbei, dass bei „unternehmensinternen“ Projekten und Prozessen eine gewisse Dynamik aufgebaut und aufrechterhalten wird. Schwächt sich diese Dynamik zu stark ab, so besteht die Gefahr, dass der Transaktionsprozess zerfasert und nicht erfolgreich zu Ende geführt werden kann. Um die Dynamik aufzubauen und aufrechtzuerhalten ist es hilfreich dem Unternehmer den Prozess, sowie die einzelnen Prozessschritte und ihre Wirkungsweise eingehend zu erläutern. Je besser der Unternehmer den Prozess versteht und die Dynamiken verinnerlicht, desto zielsicherer kann der Prozess geführt werden. Auch geht es hierbei darum, dem Unternehmer klarzumachen, dass nach dem Verkauf zwar der Erwerber die Geschicke des Unternehmens lenken wird, dass der Verkäufer aber durch einen strukturierten und professionellen Prozess, die grundsätzliche Ausrichtung für eine begrenzte Zeit mitbeeinflussen kann, indem er die Weichen richtig stellt.
In dieser Phase muss der betreuende Anwalt regelmäßig die Rolle übernehmen, die bei größeren Transaktionen der M&A‑Berater wahrnimmt. Es sind die einzelnen Prozessschritte darzustellen und dem Unternehmer als Nichtfachmann eingehend zu erläutern, um ihn „mit auf die Reise zu nehmen“ und ein dezidiertes Erwartungs‑, Kommunikations‑, und Zeitmanagement zu pflegen. Nur so kann man den Unternehmer emotional miteinbinden, ihm vermitteln, dass der Berater den Prozess im Griff hat und versuchen, bei ihm ein „Anpacken mit Blick auf das Loslassen“ auszulösen. Die juristischen und betriebswirtschaftlichen Fragen stehen dabei weit hinter den psychologischen Schwierigkeiten zurück.
In diesem Zusammenhang muss der Unternehmer einen schwierigen Perspektivwechsel vornehmen. Bis hierhin hat er regelmäßig alleine entschieden, selten nur den Rat oder auch nur die Sichtweise von Dritten eingeholt. Nach 20 oder mehr Jahren sagt ihm plötzlich ein Fremder, und zwar in einem Bereich, in dem er bisher uneingeschränkt bestimmt hat, nämlich in seiner Firma, was zu tun und zu lassen, mit wem wann zu sprechen ist, was und wie zu kommunizieren ist. Dieser Perspektivwechsel ist psychologisch eine ziemliche Herausforderung; auch, weil er über einen längere Dauer durchgehalten und verinnerlicht werden muss. Aus meiner Sicht kann dies nur gelingen, indem der Unternehmer erfolgreich in den Prozess eingebunden wird und er ihn zu seinem Prozess macht.
2. Wie kann man die aufgezeigten Risiken minimieren und wo lauern kritische Momente?
Die Einbindung des Unternehmers in den Prozess wird auch durch die frühzeitige Erstellung eines (virtuellen) Datenraumes auf Grundlage einer umfassender Due Diligence-Liste vereinfacht. Zwar legt der Kaufinteressent regelmäßig seine Due Diligence-Liste vor – wartet man aber bis zu diesem Zeitpunkt, geht wertvolle Zeit verloren und häufig entgehen dem Berater wichtige Aspekte und Details, die später zu unangenehmen Nachfragen seitens des Käufers führen und Auswirkungen auf den Preis oder die Gewährleistungen haben können. Die Erfahrung lehrt auch, dass sich dies im Vorfeld besser organisieren und umsetzen lässt als ab einem Zeitpunkt, zu dem bereits ein Letter of Intent unterzeichnet ist und der Unternehmer denkt, jetzt sei doch eigentlich schon so gut wie alles erledigt. Letztlich ermöglicht diese Übung aber auch dem Unternehmer selbst, sein Unternehmen kritisch zu beleuchten, Schwachstellen aufzudecken und möglicherwiese sogar im Vorfeld abzustellen.
Im Rahmen der Zusammenstellung des Datenraums wird auch häufig sichtbar, dass der Unternehmer private Hobbies und Vorlieben nicht stringent von den unternehmerischen Belangen getrennt hat, sondern eine wirtschaftliche Verquickung der beiden Sphären besteht. Besonders beliebt ist der mit Edelkarossen bestückte Fuhrpark, das Sportflugzeug oder Ähnliches. Neben steuerlichen Risiken hat der potentielle Erwerber diesbezüglich häufig andere Vorstellungen, sodass es sinnvoll sein kann, diese Themen bereits vorher zu bereinigen, auch weil sie möglicherweise Auswirkung auf die Kaufpreisbestimmung haben können. Werden die damit verbundenen Kosten frühzeitig erkannt und eliminiert, so kann dies eine nicht zu unterschätzende Auswirkung auf die Bewertung haben.
Die Erstellung und Durchsicht des Datenraums durch den Berater erweist sich auch im Hinblick auf den zentralsten Punkt des Prozesses als hilfreich: Der Kaufpreisbestimmung. Häufig hat der Unternehmer eine klare Vorstellung vom Wert und Preis seines Unternehmens. Regelmäßig rangiert diese Vorstellung von ambitioniert bis völlig unrealistisch. Um die Wertvorstellungen zu objektivieren und zu untermauern, sind Erkenntnisse aus dem Datenraum regelmäßig hilfreich und bieten auch eine gute Argumentationshilfe zur Darstellung und Verteidigung des geforderten Preises gegenüber dem Käufer, der diesbezüglich naturgemäß ein entgegengesetztes Interesse hat.
Häufig nimmt der Unternehmer die Verhandlung des LOIs in Eigenregie vor und es werden handwerklich fehlerhafte oder unvollständige Absprachen getroffen, die wesentliche Themen nicht abbilden oder bei denen die Parteien unerkannterweise unterschiedliche Vorstellungen haben. Ob dies aus Sparsamkeitsgründen erfolgt oder weil der Unternehmer meint, erst bei Vorliegen eines LOIs mache es Sinn, einen Berater hinzuziehen, ist schwer zu beurteilen. Sicher ist jedoch, dass ein unprofessionell abgefasster LOI die anschließenden Verhandlungen eher erschwert statt sie zu erleichtern. So haben Käufer und Verkäufer regelmäßig unterschiedliche Vorstellungen betreffend die Zuordnung des Ergebnisses des laufenden Wirtschaftsjahres, wobei dieser Punkt von ihnen aber nur in den seltensten Fällen geregelt wird. Dabei kann es aber schnell um einen höheren sechsstelligen Betrag gehen. Im Vergleich dazu sind die Beraterkosten schnell die sprichwörtlichen „Peanuts“.
Der Verkäufer ist auf die Risiken im Zusammenhang mit sog. „Earn-Out-Bestimmungen“ hinzuweisen. Regelmäßig werden Kaufangebote mit Earn-Out-Bestimmungen geschmückt, die einen erheblichen Kaufpreisanteil in die Zukunft verschieben und von der Erreichung bestimmter wirtschaftlicher Ziele abhängig gemacht werden. Der Verkäufer ist aber nach Vollzug der Transaktion nicht mehr Herr im Haus, sofern er überhaupt noch in der Geschäftsführung tätig und nicht als Berater beschäftigt ist. Damit hat er regelmäßig keine wirkliche Handhabe betreffend die vereinbarte Zielerreichung und damit keinen Einfluss auf den Auszahlungsanspruch. Schnell werden gerade kleinere Unternehmen nach Abschluss einer Transaktion von dem Erwerber in seine Organisation und Struktur eingegliedert, was aus Käufersicht sinnvoll sein mag, aber für die Bestimmung des Earn-Outs erhebliche Fragen und Schwierigkeiten aufwirft und damit einen hohen Unsicherheitsfaktor für den Verkäufer darstellen.
Häufig erleben wir es, dass potentielle Käufer unter Umgehung der Berater versuchen, direkt mit dem Unternehmer zu verhandeln und sie so von den Beratern aufgestellte Bedingungen umgehen oder aushebeln. Beliebt ist hierbei die Strategie des potentiellen Käufers, dem Unternehmer zu suggerieren, dass die von ihm beauftragten Berater die Transaktion unnötig verkomplizieren und in die Länge ziehen. Ziel ist dabei, den Unternehmer dazu zu veranlassen, doch direkt mit dem Käufer zu sprechen und so „einen schnellen Deal“ hinzubekommen, denn eigentlich „sei man sich doch schon einig“. Dabei ist dem Unternehmer aufgrund fehlender Erfahrung gar nicht immer klar, welche Auswirkungen die von ihm gemachten „Zugeständnisse“ wirtschaftlich für ihn bedeuten. Ein Zurück hinter die gemachte Zusage ist dann regelmäßig ohne Gesichtsverlust nicht ohne Weiteres möglich. Ganz entscheidend ist daher auch ein stringentes Kommunikationsmanagement.
3. Welches sind die wichtigsten Grundregeln in diesem „Prozess“ für den Unternehmer?
- Begreife den Prozess als ein unternehmensinternes Projekt.
- Wähle den Berater, dem Du vertraust und nicht den, der die am meisten verspricht.
- Sei bereit für ein klares Zeit- und Kommunikationsmanagement mit Deinem Berater.
- Sprich lieber mit Deinem Berater als mit dem potentiellen Käufer.
- Die Zukunft des Unternehmens wird durch den Käufer verantwortet, aber Du kannst bestimmen, wer das sein wird.