Wie aktiv sind internationale Venture Capital-Firmen in Deutschland?
Orrick, Herrington & Sutcliffe LLP
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8. April 2015
1. Wie aktiv sind internationale Venture Capital-Unternehmen (VCs) im Technologiebereich tatsächlich in Deutschland?
In unserer Beratungspraxis für Technologieunternehmen und deren Investoren sehen wir aktuell ein wachsendes Interesse von internationalen VCs an deutschen Technologieunternehmen und auch eine wachsende Investitionstätigkeit, und zwar grundsätzlich für alle Beteiligungsphasen. Allerdings bewegen wir uns noch auf einem sehr niedrigen Gesamtniveau. Internationale VCs, zumal diejenigen aus den USA und im speziellen dem Silicon Valley, selbst wenn sie bereits ein europäisches Büro in London haben, haben nach wie vor in ihrem Heimatmarkt quasi vor der Haustür so viele Investitionsmöglichkeiten, dass sie sich in den meisten Fällen gar nicht die Mühe machen (müssen), nach Alternativen in Deutschland zu schauen. Deutschland steht insofern in direkter Konkurrenz mit anderen Standorten.
Andererseits haben sich in Deutschland die Rahmenbedingungen für Gründer und ihre Unternehmen in Bezug auf die Finanzierungsmöglichkeiten verbessert. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten für die Frühphase (Seed). In dieser Phase sind die Gründer gar nicht unbedingt auf internationale Investoren angewiesen. Schwierig wird es in der Anschluss- und Wachstumsfinanzierung. Hier bedarf die deutsche Investitionslandschaft dringend der Kapitalinjektion von außen. Strategisch denkende Gründer binden hierfür frühzeitig internationale bzw. international vernetzte VCs bereits in den ersten Finanzierungsrunden ein, damit diese im Anschluss Türen bei weiteren Finanzierungsrunden öffnen.
2. Welche Schwierigkeiten haben internationale VCs zu meistern, um nach Deutschland zu kommen?
Die größten Schwierigkeiten für internationale VCs liegen unserer Erfahrung nach im fehlenden Netzwerk und fehlender Marktkenntnis bei Markteintritt. — Es beginnt mit der Identifizierung, Prüfung und Bewertung der Investitionsmöglichkeiten und endet mit Verhandlung, Strukturierung und Durchführung eines Investment. Solange dem VC eigene Marktkenntnis und eigenes Netzwerk fehlen, muss er wirtschaftliche Abschläge, Unsicherheiten, Mehraufwand und gegebenenfalls Kosten in Kauf nehmen. Strategisch gesehen sollten sich diese Schwierigkeiten mit jedem Investment deutlich abbauen lassen. Sie lassen sich mit einer richtigen Teamaufstellung von Anfang an schon auf ein Minimum reduzieren. In unserer Beratungspraxis in einem solchen Team unterstützen wir in solchen Situationen häufig internationale VCs oder auch die Gründer, die einen solchen gewinnen wollen, indem wir proaktiv Hintergrund-informationen zu rechtlichen Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen, hiesige Besonderheiten in das jeweilige andere Rechtsverständnis „übersetzen“ und aufgrund unserer Erfahrung für einen reibungslosen Transaktionsablauf sorgen. Damit lassen sich Erwartungen und Resultate steuern und für internationale VC ein Investitionsrahmen und –komfort schaffen, der dem vergleichbar ist, was sie bei einem „Heimatinvestment“ erwarten würden.
3. Ist das deutsche „Ökosystem“ bereit für internationale VCs?
Die deutsche Investitionslandschaft ist nach unserer Erfahrung grundsätzlich bereit für internationale VCs. Das belegen auch die zahlreichen Investments der jüngeren und jüngsten Vergangenheit allein in Berliner Startups wie zum Beispiel: erst Atomico, dann Sequoia in 6Wunderkinder, Insight Venture und Kite Ventures in Delivery Hero, MCI Management in Auctionata, Partech in Klara, jüngst Northzone in Outfittery.
Die Anbahnung und Abwicklung von Investments gelingt bei richtiger Aufstellung der Beteiligten gerade auch im Hinblick auf wechselseitige Erwartungen reibungslos. Es gibt in Deutschland eine Vielzahl aussichtsreicher Technologie-Startups in verschiedenen Bereichen – allen voran E‑commerce, Fintech, Medtech, Hardware, Software. Es gibt für viele Startups mit ihren Produkten Anknüpfungspunkte an den erfolgreichen deutschen Mittelstand. Der Bedarf für Risikokapital ist keinesfalls gedeckt, so dass Investoren gerade im Bereich größerer Tickets und späterer Phasen in gute Verhandlungspositionen auch gegenüber Altinvestoren gelangen können. Es gibt inzwischen etablierte Marktstandards, die sich sehr an die international und in anderen Märkten geltenden Konditionen angenähert haben. Vor allem können internationale VCs inzwischen auch auf ein Netzwerk ihrer Peers zugreifen, die bereits in Deutschland erfolgreich investiert und etabliert sind.