Trends bei Buy-and-Build-Strategien in Corona-Zeiten
One Equity Partners (OEP)
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6. April 2021
1. Neben Corona dürfte “Digitalisierung” zu den meist gebrauchten Worten in 2020 gehören. Wie haben sich die Investitionsprozesse im PE-Sektor im Lock down verändert?
Nach einer kurzen Zeit der Unsicherheit im zweiten Quartal 2020 haben sich sowohl Käufer als auch Verkäufer von Unternehmen schnell auf die neue Situation eingestellt und sind dazu übergegangen Verkaufsprozesse weitestgehend digital zu organisieren. Auch wir seitens OEP haben dabei bereits Unternehmen komplett digital sowohl gekauft als auch verkauft. Dabei werden nicht nur wie seit langem üblich die Datenräume digital zu Verfügung gestellt, sondern auch sämtliche Interaktionen zwischen Käufer und den jeweiligen Management Teams. Management Präsentationen sowie Expertenrunden werden dabei über Videokonferenzplattformen wie bspw. Zoom oder Microsoft Teams digital abgewickelt. Gerade für die potenziellen Käufer bedeutet dies auf der einen Seite eine deutlich Effizienzsteigerung, da man u.a. aufgrund der eingesparten Reisezeit deutlich effizienter operieren und somit auch mehr Opportunitäten gleichzeitig verfolgen kann was gerade in ‚buy-and-build‘ Situationen von Vorteil ist.
Gleiches gilt auch für die Verkäufer, die sonst aufwendig zu organisierende Management-Präsentationen oder sogenannte ‚fire site chats‘ mit mehr Interessenten als sonst durchführen können. Auf der anderen Seite sind Investitionsprozesse und erfolgreiche Transaktionen natürlich auch stark vom persönlichen Vertrauen der beteiligten Personen zueinander abhängig, was wiederum in Zeiten von Corona und fehlenden persönlichen Kontakten schwieriger aufzubauen ist. In Zukunft werden wir uns deshalb sicherlich wieder auf eine gesunde Balance zwischen digital und physisch einstellen werden.
2. Auf welche Sektoren haben sich Ihrer Wahrnehmung nach die Trends verlagert?
Man sieht aktuell verstärktes Interesse seitens der Private Equity Branche an vielem, was mit dem Thema Digitalisierung im weitesten Sinne zusammenhängt. Unternehmen aber auch der öffentliche Sektor hat deutlich feststellen müssen, dass wir gerade in Deutschland in Bezug auf dieses Thema nicht adäquat aufgestellt sind. Aktuell erleben wir einen starken Digitalisierungsschub auf vielen Ebenen, das bedeutet, Veränderungen die sonst mehrere Jahre gedauert hätten, erfolgen in wenigen Monaten.
Bestes Beispiel war die Notwendigkeit der Unternehmen einen großen Teil ihrer Mitarbeiter quasi über Nacht in das Home-Office zu schicken. Was die Verfügbarkeit von Hardware, Endgeräte wie bspw. Laptops erfordert, aber auch eine entsprechende Bandbreite, um reibungslos arbeiten zu können. Daran knüpfen sich in einem zweiten Schritt die Themen Sicherheit (Cyber-Security), reibungslose Zusammenarbeit (Collaboration) aber auch die Digitalisierung von einzelnen Geschäftsprozessen an, die vorher physisch abgewickelt worden sind, um sowohl ‚Work-from-Home‘ Modelle zu ermöglichen, aber auch sicherzustellen, dass zukünftig vor Ort/Bürobetrieb Corona konform umzusetzen ist. Dies sind wichtige Trends, die uns in Zukunft stark beschäftigen werden.
Seitens OEP sehen wir aktuell in vielen unserer Portfolio Unternehmen, dass sich der Bedarf an Bürofläche um ca. 30% nach Corona reduzieren wird. Dies ist vor allem auf die gestiegene Flexibilität in Bezug auf den Arbeitseinsatz und Arbeitsort vieler Mitarbeiter zurückzuführen. Es wird dabei weniger feste Arbeitsplätze in den Büros geben als vielmehr Gemeinschaftsflächen, die je nach Bedarf gebucht und genutzt werden. Wir seitens OEP beschäftigen uns schon langem sowohl in Nordamerika als auch Europa mit dem Thema Technologie als einem unserer Investitionsschwerpunkte und haben dabei vielfältige Erfahrungen im Bereich Software, IT-Service / Digitalisierung und Hardwareausstattung gemacht. So haben wir bspw. im März letzten Jahres — zum Hochpunkt der ersten Corona Krise — bewusst in den Bereich der Hardwareausstattung durch den Erwerb der in Böblingen beheimateten MCL investiert, da wir hier wie oben dargestellt einen deutlichen Nachholbedarf sehen. Seit Erwerb der MCL ist es uns in den letzten 12 Monaten gelungen die Firma durch 3 weitere Akquisitionen in den Bereichen Cybersecurity, Cloud Transformation und Managed Services deutlich zu stärken, zukunftsgerecht aufzustellen und den Umsatz dabei um 50% zu erhöhen. Anfang diesen Jahres hat OEP ferner in den spanischen Digitalisierungsspezialisten VASS investiert und damit eine weitere Plattform in diesem schnell wachsenden Bereich hinzugewonnen. Der Gründer Javier Latasa und das Management Team von VASS haben sich dabei speziell aufgrund der Expertise und des überzeugenden ‚buy-and-build‘ Track Record für OEP entschieden, um VASS zu einem globalen Anbieter von Digitalisierungslösungen zu entwickeln. Aktuell sind wir auch dank vieler virtuell geführten Gespräche mit diversen innovativen Lösungsanbieter im Austausch, um VASS in Nord-Europa, Lateinamerika und den USA zu etablieren.
3. Wir haben einen Digitalisierungsschub in den letzten 12 Monaten erlebt, der sonst 3–5 Jahre gedauert hätte. What is the new “normal” zwischen PE-Investor und Portfolio-Company oder Target? Was hat sich verschoben?
Innerhalb der letzten 12 Monate haben sich nahezu alle Interaktionen zwischen Portfolio Unternehmen und PE-Investor in den virtuellen Raum verschoben. Wo früher fast ausschließlich persönliche Treffen stattgefunden haben, werden heute Videokonferenzen abgehalten. Zukünftig denke ich, dass sich das Pendel wieder etwas mehr in die Mitte bewegt und es einen gesunden Mix zwischen persönlichen Treffen und virtuellen Konferenzen geben wird. Dies schafft die perfekte Balance um Vertrauensverhältnisse zu pflegen und wichtige Themen persönlich besprechen zu können, aber auch gleichzeitig an Effizienz zu gewinnen, wenn es um Standardtreffen geht, die virtuell abgehalten werden können. Ferner wurden auch neue Arten der Zusammenarbeit im Rahmen von digitalen Arbeitsgruppen und Workplaces geschaffen, die zukünftig auch weiterhin genutzt werden und zu einer verbesserten Zusammenarbeit über Grenzen und Kompetenzen hinweg beitragen werden. Auch im Verhältnis zu den Kunden wurden sehr vielversprechende virtuelle Arbeitsweisen wie bspw. Webinars etabliert, die deutlichen Mehrwert für die Kunden bieten und mittels denen Produkte sowie Lösungen einem größerem Adressatenkreis gleichzeitig präsentiert werden können. Auch diese werden zukünftig weiterhin neben persönlichen Besuchen und Messen genutzt werden.
Dr. Jörg Zirener
Dr. Jörg Zirener ist Senior Managing Director bei One Equity Partners (OEP) in Frankfurt. Seit seinem Einstieg im Jahr 2006 hat Dr. Zirener diverse Investments im Technologie- als auch Industrieumfeld für OEP erfolgreich durchgeführt, mit Fokus auf Buy-and-Build Konzepten, die es den Portfolio Unternehmen ermöglichten, Zugang zu neuen Produkten und Märkten aufzubauen, eine stärkere Wahrnehmung durch Kunden und Lieferanten zu erreichen, die Attraktivität für qualifizierte Mitarbeiter zu erhöhen und Skaleneffekte auf der Kostenseite zu erzielen. Aktuell ist Dr. Zirener im Beirat/Aufsichtsrat folgender Unternehmen vertreten: DWK Lifescience, Lutech, Neology, Verimatrix, MCL, VASS und Bibliotheca.
Vor seiner Zeit bei OEP war Dr. Zirener Senior Projekt Manager im Bereich Restrukturierung bei Roland Berger Strategy Consultans. Zudem gründete Dr. Zirener ein eigenes Unternehmen, welches sich auf die Vermarktung von Fanartikeln im Zusammenhang mit der Fußball Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland sowie der deutschen Bundesliga fokussierte. Er studierte BWL an der European Business School in Oestrich Winkel, der Universidad de la Empresa in Buenos Aires und der Ecole Supérieure de Commerce de La Rochelle.