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FÜR UNTERNEHMER UND INVESTOREN
3 Fragen an kluge Köpfe
Foto: Dr. Michael Zoller

Das FISG als Allheilmittel gegen Bilanzskandale?

Dazu 3 Fragen an Dr. Michael Zoller

Wirsing Hass Zoller Rechtsanwälte
Foto: Dr. Michael Zoller
26. Okto­ber 2021

Das Finan­z­­markt-Inte­­gri­­täts­­stär­­kungs­­­ge­­setz (FISG) wurde vom Bundes­tag als Reak­tion auf die Wire­­card-Insol­­venz beschlos­sen. Der über­wie­gende Teil der gesetz­li­chen Neue­run­gen trat bereits zum 1.7.2021 in Kraft. Das FISG beinhal­tet in 26 Arti­keln zahl­rei­che Geset­zes­mo­di­fi­ka­tio­nen und verschärft die Haftung von Abschluss­prü­fern erheblich.


Dazu 3 Fragen an Dr. Michael Zoller, Part­ner bei Wirsing Hass Zoller Rechts­an­wälte, München

1. Das FISG enthält ein Verbot der Erbrin­gung von Nicht­prü­fungs­leis­tun­gen durch den Abschluss­prü­fer. Ist das wirk­lich eine Neuerung?
Es versteht sich von selbst, dass man schlecht kritisch prüfen kann, was man zuvor selbst mitge­stal­tet hat. Nichts ande­res hat der berühmte Sarba­nes-Oxley Act bereits im Jahr 2002 zum Ausdruck gebracht, als Senat und Reprä­sen­tan­ten­haus der USA als Reak­tion auf Bilanz­skan­dale von Unter­neh­men wie Enron oder World­Com auch die Unver­ein­bar­keit von Prüfung und Bera­tung gesetz­lich regel­ten. In Deutsch­land exis­tierte bereits vor dem FISG ein vergleich­ba­rer Grund­satz in § 319 Abs. 3 HGB. Das FISG präzi­siert dies nunmehr ledig­lich mittels einer expli­zi­ten Black­list von Leis­tun­gen, die Abschluss­prü­fern von Unter­neh­men von öffent­li­chem Inter­esse (sog. PIEs) verbo­ten sind. Insbe­son­dere welt­weit tätige Wirt­schafts­prü­fungs­ge­sell­schaf­ten haben dies aber auch bereits in der Vergan­gen­heit beher­zigt und umgesetzt.
2. Führt die Verschär­fung der exter­nen und inter­nen Rota­tion zu einer Stär­kung der Finanzmarktintegrität?
Rich­tig ist, dass auch im Bereich der Jahres­ab­schluss­prü­fung der Grund­satz „neue Besen kehren gut“ Anwen­dung findet. Gerade bei dem im Rahmen der FISG inter­es­sie­ren­den Kreis der zu prüfen­den Unter­neh­men von öffent­li­chem Inter­esse ist dies aber zwei­schnei­dig. So kann man Unter­neh­men nur dann verant­wort­lich prüfen, wenn man sie durch und durch verstan­den hat. Hier ist häufig ein Spezia­li­sie­rungs­grad sowie eine Exper­tise gefragt, welche im Markt nicht leicht zu finden ist. Der Grund­satz „jeder ist ersetz­bar“ gilt hier gerade nicht. Wenn das FISG nunmehr in Bezug auf Prüfun­gen von PIEs eine Höchst­grenze der exter­nen Rota­tion von zehn Jahren sowie eine interne Rota­tion bei der Wirt­schafts­prü­fungs­ge­sell­schaft von nun maxi­mal fünf Jahren fordert, wird dies den Abschluss­prü­fungs­markt in Deutsch­land erheb­lich beein­flus­sen. In vielen Fällen ist nämlich bei den am deut­schen Kapi­tal­markt notier­ten Gesell­schaf­ten derselbe Abschluss­prü­fer seit deut­lich mehr als zehn Jahren tätig.
3. Sie wehren seit vielen Jahren Haftungs­an­sprü­che für Wirt­schafts­prü­fungs­ge­sell­schaf­ten ab. Wird das neue Gesetz durch die Neure­ge­lung der Haftung seinen Zweck erreichen?
Es stellt sich zunächst die Frage, welchen Zweck das FISG tatsäch­lich verfolgt und wie sich hier­durch die Rechts­lage in Deutsch­land ändert. Der Gesetz­ge­ber hat in § 323 HGB eine eindeu­tige Botschaft dahin­ge­hend formu­liert, dass das Testat einer Wirt­schafts­prü­fungs­ge­sell­schaft ausschließ­lich für das zu prüfende Unter­neh­men da ist und keiner­lei Dritt­schutz gewährt. Hieran hat sich auch durch das FISG nichts geän­dert. Dritte, nämlich der Kapi­tal­markt, erhal­ten keine Direkt­an­sprü­che gegen den Wirt­schafts­prü­fer. Wenn — wie in vielen Bilanz­skan­da­len — der Wirt­schafts­prü­fer ebenso Opfer krimi­nel­ler Machen­schaf­ten wurde, wie der Kapi­tal­markt, sieht auch das FISG keine Direkt­an­sprü­che der Akti­en­käu­fer gegen den Wirt­schafts­prü­fer vor. Echte Verän­de­run­gen haben ledig­lich im Rechts­ver­hält­nis zwischen dem zu prüfen­den Unter­neh­men und dem Abschluss­prü­fer statt­ge­fun­den. Hier wurden die Haft­sum­men erhöht bzw. Ober­gren­zen ganz abge­schafft. Viele Stim­men auch aus dem Bundes­rat befürch­ten aber durch die gesetz­li­chen Ände­run­gen eine weitere Konzen­tra­tion des Mark­tes zu Guns­ten der ohne­hin schon mäch­ti­gen Teil­neh­mer, welche in der Lage sind, derar­tige Haftungs­ri­si­ken zu tragen und entspre­chen­den Haft­pflicht­ver­si­che­rungs­schutz vorzu­hal­ten. Man hätte auch Haftungs­ober­gren­zen in ein bestimm­tes Verhält­nis zur Bilanz­summe des zu prüfen­den Unter­neh­mens setzen können; auch eine Haftungs­höchst­grenze in Abhän­gig­keit von den Finanz­kenn­zah­len der Wirt­schafts­prü­fungs­ge­sell­schaft selbst wäre in Betracht gekom­men. Aus Perspek­tive der Haft­pflicht­ver­si­che­rer stellt eine Quan­ti­fi­zie­rung der Risi­ko­er­hö­hung durch das FISG jeden­falls eine beson­dere kalku­la­to­ri­sche Heraus­for­de­rung dar; eine dem gestie­ge­nen Risiko ange­passte Erhö­hung der Prämie wird die unver­meid­li­che Folge sein. Ob die Haftungs­ver­schär­fung durch das FISG dazu beitra­gen wird, Skan­dal­fälle zu vermei­den, wird man dage­gen erst im Verlauf von Jahr­zehn­ten beur­tei­len können.

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