Wie entwickeln sich laufende/ geplante Transaktionen im aktuellen politischen Umfeld?
McDermott Will & Emery in München
Weitere Interviews
13. Juli 2022
1. Was beobachten Sie bei Transaktionen, die Sie derzeit betreuen?
Man muss hier nach Sektoren unterscheiden. Je nachdem, ob ein Sektor bzw. ein Unternehmen „Externalitäten“, d.h. Liefer- oder Absatzbeziehungen zum Ausland hat, vielleicht muss man präzisierend sagen, zum „Nicht-EURO- Ausland“, beobachten wir, dass Verkaufsprozesse ins Stocken geraten oder gleich verschoben werden. Konkret heißt das, dass der Gesundheitssektor, insbesondere Healthcare Services, ungebrochen boomt. Lokale Dienstleistungen sind nun einmal nicht von Geschehnissen in der Ukraine oder Asien, nicht von Energiepreisen oder auch Inflation betroffen, wiewohl Personalengpässe eine Rolle spielen können. Vielleicht ist das Interesse in dies Segment sogar, wiewohl schwer vorstellbar, noch weiter gestiegen. Ähnlich verhält es sich, je nach Geschäftsmodell, mit Technologieunternehmen und teilweise auch Impact-Investitionen. Wir beobachten, dass Investoren in diesen Segmenten weiterhin sehr aktiv sind und auf ihre Kosten kommen.
2. Wie schätzen Sie aktuell die Entwicklung bei Transaktionen und in der deutschen Wirtschaft in den kommenden 12 Monaten ein? In welcher Gemütslage befinden sich mittelständische Unternehmer?
In anderen als den genannten Bereichen ist es deutlich schwieriger. Unternehmen, die Zwischenprodukte, Rohstoffe oder auch Energie aus dem Ausland benötigen, sind von den augenblicklichen Konflikten, der Inflation und der Ungewissheit der nahen Zukunft nicht nur operativ betroffen. Diese Umstände wirken sich naturgemäß auch auf die Bewertungen am Markt aus. Dazu kommt die Neujustierung der geopolitischen Landschaft. Wie soll zum Beispiel ein Investor ein Unternehmen mit starkem Absatz nach China augenblicklich bewerten? Jüngste politische Äußerungen lassen eine Fortschreibung historischer Zahlen, eine Belastbarkeit von Business Plänen fragwürdig erscheinen. Aus diesen Gründen sieht man in vielen Segmenten laufende Prozesse stocken. Angekündigte Prozesse lassen auf sich warten. Viele Mittelständler und auch Private Equity Fonds, die einen Verkauf angedacht haben, werden sich, mindestens für die von ihnen genannte Periode von 12 Monaten, nun zunächst auf operative Adjustierungen konzentrieren. Das kann der Aufbau alternativer Produktionsstätten in Asien, z.B. in Vietnam, Kambodscha oder Thailand sein. Ich höre zudem auch viel von Plänen von Unternehmen, auch unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten, in Zentral- und Osteuropa zu produzieren.
Gerade Mittelständler werden sagen: auch diese Krise werde ich alleine gut bewältigen und wertewahrend oder ‑schaffend überwinden. À propos Zentral- und Osteuropa: ich denke, dass wir – bei einer Beruhigung der Lage in der Ukraine — ein Revival der Region erleben werden. Nachdem nun jeder weiß, wo das schwarze Meer liegt und wo die Ukraine, ist die Region stärker ins Bewusstsein gerückt. Der Talente-Pool ist ungeheuer groß und ich höre von regionalen institutionellen Investoren, die die Brücke bauen zwischen lokalem Humankapital und westeuropäischen Unternehmen.
3. Wie lautet Ihre Prognose für die Preisentwicklung bei Unternehmensverkäufen? Steigen/ fallen die Preise? Mit welchen Problemen haben Ihrer Beobachtung nach Private Equity Fonds zu rechnen?
Angesichts dieser Entwicklungen sehe ich für die unterschiedlichen Sektoren auch differente Preisentwicklungen. In den besagten Segmenten Healthcare Services und Technologie rechne ich nicht mit großen Preisveränderungen, wobei sich angesichts steigender Zinsen zeigen muss, ob Investoren bereit sind, ihre Renditeerwartungen anzupassen.
In Sektoren, die von den beschriebenen „externalen“ Umständen stärker betroffen sind, würde man sinkende Preise erwarten. Ich rechne aber eher damit, dass diese Unternehmen gar nicht erst an den Markt gehen, da Eigentümer abwarten werden, bis sich der Nebel lichtet. Das kann für Private Equity Fonds, die in diesen Segmenten aktiv sind, längere Haltezeiten bedeuten. Und gleichzeitig werden sie, sofern sie nicht ihren Investmentfokus verlagern, weniger Investitionen tätigen. Gleichzeitig sehen sie unter Umständen Herausforderungen im Fundraising: sinkende Aktienmärkte bedeuten bei institutionellen Investoren (Limited Partners) in Private Equity Fonds auch, in absoluten Zahlen, geringere Allokationen. Vielleicht führt das zu kleinvolumigeren Fonds (bei identischem Investitionsfokus). Es bleibt in jedem Fall spannend.
Über Nikolaus von Jacobs
Dr. Nikolaus von Jacobs berät Private Equity-Fonds und deutsche Industrie-Akteure zu Private Equity, Risikokapital und öffentlichen und privaten M&A‑Transaktionen. Er ist Mitglied der Praxisgruppe Gesellschaftsrecht und Leiter der deutschen Private Equity-Aktivitäten bei McDermott Will & Emery in München.