Führung eines Unternehmens nach der Übernahme
ARGOS in München
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9. Oktober 2023
1. Wie differenziert sich ARGOS von anderen Small Cap-Investoren?
Wir erwerben ausschließlich Unternehmen in Nachfolgesituationen, die nachhaltig profitabel mit EBITs zwischen 3 und 20 Mio. Euro und in ihrer Marktnische führend sind. Der einzige Verkaufsgrund ist hier, dass die Gesellschafter die unternehmerische Verantwortung abgeben möchten. Uns zeichnet aus, dass wir alle selbst langjährige operative Führungserfahrung im Mittelstand haben und bereits zu Beginn des Verkaufsprozesses einen Nachfolger vorstellen, den die Verkäufer persönlich kennenlernen können. Nachfolger und Neugesellschafter sitzen vom ersten Moment am Tisch, wir sprechen von Unternehmer zu Unternehmer, und können so schnell und zuverlässig Entscheidungen treffen.
Da wir ausschließlich Eigenkapital der ARGOS-Partner investieren, sind wir unabhängig von anderen Entscheidern und können allein die unternehmerische Weiterentwicklung der Unternehmen in den Mittelpunkt rücken. Anders als Private Equity Gesellschaften, die aufgrund von Fondslaufzeiten nach einigen Jahren wieder veräußern müssen, halten wir unsere Unternehmen langfristig und haben seit Gründung von ARGOS in 2001 keines unserer Unternehmen verkauft. Im Gegensatz zu strategischen Käufern sichern wir die Eigenständigkeit und Identität und damit das Lebenswerk der Verkäufer.
2. Welche Bedeutung bzw. Relevanz hat das Thema Digitalisierung für Sie dabei?
Viele Unternehmer in Nachfolgesituationen stellen größere Investitionen in Digitalisierungsthemen vor der Unternehmensübergabe zurück. Daher werden wir als Neugesellschafter und Nachfolger häufig mit Nachholbedarf in diesem Bereich konfrontiert. Dennoch sollte Digitalisierung kein Selbstzweck sein, sondern das Erreichen bestimmter Geschäftsziele ermöglichen. Daher stehen für uns nach einem Unternehmenserwerb zunächst die operative Geschäftsübergabe, ein tieferes Verständnis der Haupterfolgsfaktoren und die Entwicklung der Geschäftsprioritäten im Vordergrund.
Spricht man über Digitalisierung im kleineren Mittelstand, geht es häufig um die Bereitstellung von Geschäftskennzahlen, die Optimierung von Fertigungsplanung, Logistik und Kundenservice, oder einen besseren Informationsaustausch mit Lieferanten, Vertrieb und Außendienst. Voraussetzung für digitale Lösungsansätze sind jedoch vollständige und strukturierte Basisdaten, definierte Abläufe und standardisierte ERP-Programme, was in der Praxis meist eine große Herausforderung ist. Diese Grundlagen zu schaffen ist langfristig alternativlos, erfordert aber Energie und Geduld.
Zur Umsetzung von Digitalisierungsthemen und den damit verfolgten Unternehmenszielen sind also meist Prozessanpassungen und damit Veränderungen individueller Gewohnheiten notwendig. Dies sollte mit Augenmaß und ausreichend Unterstützung des Einzelnen geschehen. Solch ein Veränderungsmanagement benötigt Zeit und dient häufig nicht einem schnellen Wertzuwachs der erworbenen Unternehmen. Für eine nachhaltige Wertentwicklung ist es jedoch unerlässlich, was dem langfristigen unternehmerischen Ansatz von ARGOS entspricht.
3. Welche Rolle spielen bei der Unternehmensbewertung die vielen externen Sondereffekte, die in den letzten 3 Jahren die Wirtschaft geprägt haben?
Viele Unternehmensergebnisse der letzten Jahre wurden durch unterschiedliche externe Faktoren wie die Corona-Krise, Materialengpässe, Rohstoff- und Energiepreisschwankungen oder andere Auswirkungen des Ukraine-Kriegs beeinflusst. Je nach Branche und Geschäftsmodell mussten einige Unternehmen erhebliche Ergebnisbelastungen in Kauf nehmen, andere wiederum haben sich als Gewinner herausgestellt. Während einige Entwicklungen dauerhafte Auswirkungen haben (z.B. Energiepreise), sind andere als einmalige Sondereffekte zu klassifizieren (z.B. Corona-Schließungen).
Vor diesem Hintergrund ist die Ableitung eines nachhaltigen Ergebnisses als Bewertungsgrundlage nicht einfach und erfordert deutlich mehr inhaltliche Diskussionen zur Geschäftsentwicklung. Auf Basis der langfristigen Ergebnisentwicklung des Unternehmens, z.B. über die letzten zehn Jahre, versuchen wir generelle Trends zu erkennen. Dauerhafte Marktveränderungen können über Markt- und Kundeninterviews bestätigt werden. So können Sondereffekte bereinigt (nach oben und unten) und eine für alle Seiten faire und transparente Kaufpreisbasis abgeleitet werden.
Über Frank Herdeg
Frank Herdeg absolvierte sein Studium zum Wirtschafts-Ingenieur an der Universität Karlsruhe (TU) und erwarb einen MBA an der Union University (New York). Er arbeitete zwischen 1996 und 2003 bei McKinsey in München und Boston, und anschließend dreieinhalb Jahre als Alleingeschäftsführer von Carrier Sütrak, einem Hersteller von Klimaanlagen für Omnibusse.
Seit 2006 ist Herr Herdeg Geschäftsführer bei ARGOS (www.argosinvest.com). Unter Federführung der beiden Gesellschafter Dr. Hans Peter Maaßen und Florian Pape übernimmt ARGOS profitable mittelständische Unternehmen in Nachfolgesituation, Herr Herdeg engagiert sich nach dem Erwerb als Nachfolger und Geschäftsführer vor Ort.
Von 2008 bis 2013 war er Geschäftsführer von GALFA, einem Oberflächenbeschichter in Finsterwalde, wo er bis 2016 noch die Einführung eines neuen ERP-Systems begleitete. Seit 2017 ist er als Geschäftsführer bei KEBOTHERM in Oschersleben tätig, einem Komplettdienstleister für Fenster und Türen mit Montage und Service. Zudem ist Frank Herdeg aktiver Beirat bei weiteren Beteiligungen, z.B. einem 2020 erworbenen Speziallogistikdienstleiter in Österreich.