Bewertungen von Start ups bei der Finanzierung
Bei VC-Finanzierung sind Bewertungen von Start-ups vorwiegend im Rahmen von Kapitalerhöhungen durchzuführen. Häufig wird in der praktischen Anwendung auf stark vereinfachte Multiplikator-Modelle zurückgegriffen, teilweise werden sogar nur Schätzwerte herangezogen. Mit diesen Verfahren lässt sich zwar sehr schnell und einfach ein Wert ermitteln, dieser ist jedoch meist nur wenig fundiert. Eine Umfrage unter VC-Gesellschaften hat außerdem gezeigt, dass die Renditeerwartungen einzelner VC-Gesellschaften stark differieren. Die Bewertungspraxis weist somit kein einheitliches Bild auf. Auf fundierte, aufwendigere Bewertungsmodelle wird häufig verzichtet.
Start-ups weisen sehr spezifische Charakteristika auf, welche sich auch in erheblichem Maße in der Bewertung des Unternehmens niederschlagen. Da aufgrund der kurzen Unternehmenshistorie kaum Erfahrungswerte bestehen, eignen sich Verfahren, die sich an historischen Daten orientieren, nur bedingt. Junge Unternehmen sind als Investitionsobjekte auf Zukunftsindustrien oder ‑märkte ausgerichtet. Daher sind Investments der VC-Gesellschaften mit einer großen Unsicherheit in Bezug auf die zukünftige Entwicklung der Märkte behaftet. Diese Unsicherheit des Geschäftsmodells wird als Risikoprämie berücksichtigt und führt u.a. zu außerordentlich hohen Eigenkapitalkosten. Hier sind 50–70 % keine Seltenheit. Deshalb sind die gängigen Verfahren der Unternehmenswertermittlung nicht direkt anwendbar oder zumindest zu modifizieren.
In Bezug auf die Unternehmensbewertung ist generell noch festzuhalten, dass diese unabhängig von der Preisfindung betrachtet werden muss, da individuelle Wertvorstellungen sowie vertragliche Ausgestaltungen gerade bei Start-Up-Unternehmen noch einen erheblichen Einfluss haben.
Die anwendbaren Bewertungsverfahren für Start-Up-Unternehmen lassen sich im Wesentlichen unter vier Bereichen subsumieren. Der Realoptionsansatz ermittelt einen Wert unter Berücksichtigung der zukünftigen Unsicherheit anhand von Optionspreismodellen (z.B. Black-Scholes-Modell). Dieses Verfahren ist verhältnismäßig komplex und sehr theoretisch.
Deutlich üblicher sind die marktorientierten Verfahren. Über eine Peer-Group vergleichbarer Unternehmen kann ein Multiplikator für eine festzulegende Kennzahl ermittelt werden. Durch die Multiplikation des Faktors mit der Kennzahl des zu bewertenden Unternehmens kann schließlich der Wert des jungen Unternehmens bestimmt werden. Da bei Start-up- Unternehmen ertragswirtschaftliche Kennzahlen aufgrund der kurzen Historie jedoch wenig Aussagekraft besitzen, müssen für das Unternehmen und die jeweilige Branche erst passende Kennzahlen identifiziert werden.
Ein speziell für Start-Ups anwendbares Bewertungsverfahren ist die Venture-Capital- Methode. Die Bewertung wird hierbei aus Sicht des Investors vorgenommen. Wie bei den marktüblichen Verfahren wird die Bewertung anhand eines Multiplikators durchgeführt. Dieser bezieht sich hier auf eine für die Zukunft geplante Kennzahl. So wird dabei der Unternehmenswert zum Exit-Zeitpunkt des Investors berechnet und dieser mittels der Zielrendite auf den aktuellen Bewertungsstichtag diskontiert.
Als letztes Verfahren kann nun noch die Discounted-Cashflow-Methode genannt werden. Voraussetzung hierfür ist eine fundierte GuV‑, Bilanz- und Cash Flow-Planung. Mittels eines berechneten Kapitalisierungszinses, welcher dem individuellen Risikoprofil des Unternehmens entsprechen sollte, werden die zukünftig geplanten Cash Flows diskontiert und ein Unternehmenswert ermittelt.
Die Umsetzbarkeit eines Bewertungsverfahrens hängt von vier Hauptfaktoren ab. Das Verfahren sollte praktikabel, also relativ einfach anwendbar, und in der Praxis akzeptiert sein sowie das Unternehmen adäquat abbilden und die für Start-Ups nötige Zukunftsorientierung berücksichtigen. Leider gibt es kein Verfahren, welches die genannten spezifischen Anforderungen an eine Bewertung junger, wachstumsorientierter Unternehmen vollständig erfüllt.
Während der Realoptionsansatz als ein sehr komplexes Verfahren für eine Anwendung in der Praxis eher ausscheidet, können und sollten die anderen Verfahren komplementär eingesetzt werden, um eine sinnvolle Bewertung vorzunehmen. Es sollten in jedem Falle fundierte Annahmen zugrunde gelegt werden, um Fehlkalkulationen in der Renditeberechnung einer Investition zu vermeiden. Da in der bisherigen Bewertungspraxis vielfach nur einfache Schätzwertverfahren eingesetzt werden, sollte die Anwendung theoretisch fundierter Modelle künftig auch dort stärker Berücksichtigung finden. Insbesondere erfolgsfaktorenbasierte Bewertungsverfahren können bei der Unternehmenswert-Ermittlung einen erheblichen Mehrwert generieren. Über ein Scoring-Modell werden qualitative Risikokriterien bewertbar und lassen sich über einen Risikoaufschlag innerhalb des Kapitalisierungszinses sinnvoll in ein Bewertungsverfahren wie der DCF-Methode integrieren. Insbesondere sollten dabei das Team, das Geschäftsmodell, der Markt & Wettbewerb sowie die Kunden- und Lieferantenstruktur als auch die Exit-Möglichkeiten detailliert betrachtet und bewertet werden.