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Editorials
 

Vorwort | Nach der großen Inflation – Neues Regime an den Kapitalmärkten

 
FYB 2025

Nach der beispiel­lo­sen geld­po­li­ti­schen Straf­fung der Jahre 2022 und 2023 sind sowohl die Fed als auch die EZB inzwi­schen wieder auf Zins­sen­kungs­kurs. Obwohl die Infla­ti­ons­ra­ten noch über dem Ziel­wert von 2% liegen, herrscht berech­tigte Zuver­sicht, dass der Kampf gegen die Infla­tion vorerst gewon­nen wurde. Die posi­ti­ven Reak­tio­nen der Kapi­tal­markt­ak­teure auf die Zins­sen­kun­gen lässt aller­dings vermu­ten, dass auch gene­rell mit einer Wieder­kehr des Kapi­­tal­­markt-umfelds aus der Zeit vor der Corona-Pande­­mie und vor dem Infla­ti­ons­an­stieg gerech­net wird. Dies dürfte sich als Illu­sion herausstellen.

Kurz­fris­tig besteht die Illu­sion im unbe­ding­ten Glau­ben an das „Soft-landing“ oder sogar „No landing“-Szenario, also an eine weiter dyna­misch wach­sende US-Wirt­­schaft und entspre­chend stei­gende Unter­neh­mens­ge­winne. Dass der Fed noch nie in ihrer Geschichte der Spagat zwischen Infla­ti­ons­be­kämp­fung einer­seits und Verhin­de­rung einer Rezes­sion ande­rer­seits gelun­gen ist, wird ausge­blen­det. Was genau die Argu­mente für die Zuver­sicht sind, dass dies­mal „alles anders“ ist, bleibt unklar, soll an dieser Stelle aber nicht ausführ­lich disku­tiert werden. Eine Schlüs­sel­stel­lung dürfte aller­dings der unter­stell­ten Heran­ge­hens­weise der Noten­ban­ken zukom­men, und dieser Punkt ist auch in länger­fris­ti­ger Betrach­tung von Interesse.

Wir erin­nern uns

Das Kapi­tal­markt­um­feld der zurück­lie­gen­den 15 Jahre (bis einschließ­lich 2020) war davon geprägt, dass die Noten­ban­ken bereit waren, externe Schocks mit der Bereit­stel­lung prak­tisch unbe­grenz­ter Liqui­di­tät zu bekämp­fen, sei es durch Zins­sen­kun­gen bis hinein in den nega­ti­ven Bereich oder sei es durch eine enorme Aufblä­hung ihrer Bilan­zen durch den Ankauf von Wert­pa­pie­ren. Der will­kom­mene Neben­ef­fekt: Die Liqui­di­täts­flut wirkte sich posi­tiv auf die Kapi­tal­märkte aus und schwächte in erheb­li­chem Maße den Zusam­men­hang zwischen der ökono­mi­schen Lage und der Perfor­mance der einzel­nen Anla­ge­klas­sen. Eine wesent­li­che Bedin­gung für das Agie­ren der Noten­ban­ken war aller­dings die Abwe­sen­heit infla­tio­nä­rer Gefah­ren – die Noten­ban­ken konn­ten sich auf die Bekämp­fung aller mögli­chen Krisen konzen­trie­ren, ohne eine stei­gende Infla­tion befürch­ten zu müssen.

Genau dies änderte sich nach der Corona-Pande­­mie grund­le­gend, als die fort­ge­setzte Liqui­di­täts­zu­fuhr eine anhal­tend hohe gesamt­wirt­schaft­li­che Nach­frage sicherte, obwohl es gleich­zei­tig erheb­li­che Ange­bots­eng­pässe gab. Dies war der eigent­li­che Grund für den Infla­ti­ons­an­stieg, der durch dras­tisch stei­gende Ener­gie­preise infolge des russi­schen Über­falls auf die Ukraine zusätz­lich befeu­ert wurde.

Blicken wir nun in die Zukunft

Es gibt mindes­tens drei Gründe für eine struk­tu­rell erhöhte Infla­tion in den kommen­den Jahren: Erstens ist hier die geopo­li­tisch verän­derte Lage und insbe­son­dere die syste­mi­sche Riva­li­tät zwischen den USA und China zu nennen. Selbst wenn es nicht zur Heraus­bil­dung zweier konkur­rie­ren­der Blöcke und der damit verbun­de­nen Abschot­tung vonein­an­der kommen sollte, dürfte der globale Handel der Zukunft stär­ker von poli­ti­schen Macht­kämp­fen und nicht in erster Linie von den ökono­mi­schen Vortei­len der globa­len Arbeits­tei­lung bestimmt werden. Die von der Globa­li­sie­rung ausge­hen­den diszi­pli­nie­ren­den Effekte auf die Löhne in den Indus­trie­län­dern werden damit gerin­ger, zumal China seinen Status als Billig­lohn­land abge­legt hat und es dem poli­ti­schen Willen der dorti­gen Führung entspricht, die globa­len Märkte nicht dank güns­ti­ge­rer Produk­ti­ons­kos­ten, sondern infolge eige­ner tech­no­lo­gi­scher Über­le­gen­heit zu belie­fern. Hinzu kommt, dass Unter­neh­men und Staa­ten versu­chen werden, ihre Verletz­lich­keit infolge exoge­ner Schocks zu verrin­gern. Resi­li­enz wird also wich­ti­ger als die jeweils kosten­güns­tigste Lösung.

Zwei­tens begüns­tigt die demo­gra­phi­sche Entwick­lung struk­tu­rell höhere Infla­ti­ons­ra­ten. Charles Good­hart hat bereits vor Jahren die herr­schende Meinung, nach der der demo­gra­phi­sche Wandel infolge seiner das Poten­zi­al­wachs­tum dämp­fen­den Wirkung defla­to­ri­sche Wirkun­gen habe, heraus­ge­for­dert. Der entschei­dende Punkt besteht darin, dass aus der demo­gra­phi­schen Entwick­lung ein drama­ti­scher Mangel an Arbeits­kräf­ten resul­tiert, der das laufende Jahr­zehnt massiv prägen wird. Die ökono­misch erwart­bare Folge sind stär­kere Lohn­stei­ge­run­gen und damit höhere Kosten für die Erstel­lung von Gütern und Dienst­leis­tun­gen. Migra­tion könnte diese Wirkung zwar dämp­fen, aller­dings dürfte das Poten­zial an fach­lich geeig­ne­ten Eiwan­de­rern ange­sichts ähnli­cher Entwick­lun­gen in vielen Schwel­len­län­dern viel zu gering sein, um einen Anstieg der Lohn­kos­ten zu verhindern.

Drit­tens erfor­dert die ökolo­gi­sche Trans­for­ma­tion der Volks­wirt­schaf­ten insbe­son­dere mit Blick auf den Klima­schutz in den kommen­den Jahr­zehn­ten enorme Inves­ti­tio­nen. Weil dabei im Wesent­li­chen der bestehende Kapi­tal­stock zur Ener­gie­er­zeu­gung ersetzt wird, ohne dass dies unmit­tel­bar output­stei­gernd wirkt, können die Inves­ti­tio­nen nur durch höhere Preise finan­ziert werden.

Diesen drei infla­ti­ons­stei­gern­den Fakto­ren steht ein poten­zi­ell gewich­ti­ges Argu­ment entge­gen: Produk­ti­vi­täts­stei­ge­run­gen, die von der Digi­ta­li­sie­rung und insbe­son­dere aus der rasan­ten Entwick­lung der KI erwar­tet werden, könn­ten die Infla­tion deut­lich dämp­fen. Im Grund­satz erscheint dies durch­aus denk­bar, jedoch gilt auch hier die alte Weis­heit, nach der die Produk­ti­vi­täts­ge­winne neuer Tech­no­lo­gien lang­fris­tig unter­schätzt, kurz­fris­tig aber meis­tens deut­lich über­schätzt werden. Weil die produk­ti­vi­täts­stei­gernde Wirkung von KI entschei­dend von der Umstel­lung ganzer Geschäfts­mo­delle abhängt, ist die Annahme, dass dies eine gewisse Zeit benö­ti­gen wird, plausibel.

Für die Geld­po­li­tik der Noten­ban­ken folgt daraus ein Dilemma. Einer­seits wird Infla­tion für ihr Handeln eine wesent­lich größere Rolle spie­len als in den ersten beiden Jahr­zehn­ten dieses Jahr­hun­derts. Das allge­meine Zins­ni­veau wird deshalb nicht wieder auf null sinken, sondern dauer­haft erhöht blei­ben, und Phasen stei­gen­der Zinsen zur Eindäm­mung einer zu hohen Infla­tion werden wieder zur Norma­li­tät der Geld­po­li­tik gehören.

Ande­rer­seits sind die Noten­ban­ken jedoch mit einer andau­ernd hohen staat-lichen Verschul­dung konfron­tiert, die an den Kapi­tal­märk­ten in zuneh­men­dem Maße als nicht mehr trag­fä­hig wahr­ge­nom­men wird. Die Folge könn­ten enorme Insta­bi­li­tä­ten an den Finanz­märk­ten sein, vor allem dann, wenn auch die USA als Anker des globa­len Finanz­sys­tems davon betrof­fen sein soll­ten. Ange­sichts eines laten­ten Bedeu­tungs­ver­lusts der USA und innen­po­li­ti­scher Tenden­zen zur Abschot­tung ist dies ein durch­aus plau­si­bles Szena­rio. Die Noten­ban­ken könn­ten der Gefahr syste­mi­scher Insta­bi­li­tät durch eine Decke­lung des Zins­ni­veaus entge­gen­tre­ten, was aller­dings Risi­ken mit Blick auf die Infla­ti­ons­be­kämp­fung birgt.

Für die Akteure an den Kapi­tal­märk­ten bedeu­tet dies: Die Rück­füh­rung der Infla­tion auf ein Niveau von etwa 2% bedeu­tet keines­wegs eine Rück­kehr des zuvor bestehen­den Umfelds. Viel­mehr treten wir in ein neues Regime ein: Die Geld­po­li­tik wird stär­ker zwischen gegen­läu­fi­gen Polen schwan­ken und daher größe­ren „Unbe­re­chen­bar­kei­ten“ unter­lie­gen, die ökono­mi­schen Zyklen werden ausge­präg­ter und mögli­cher­weise auch kürzer ausfal­len, und die Entwick­lung einzel­ner Anla­ge­klas­sen wird nicht klaren Trends für längere Zeit folgen, sondern eine ausge­präg­tere Vola­ti­li­tät aufwei­sen. Das Zins­ni­veau dürfte deut­lich posi­tiv, insge­samt aber nach oben begrenzt bleiben.

Die Gewin­ner der kommen­den Jahre werden jene Akteure sein, die sich darauf am besten einzu­stel­len verstehen.

Axel D. Angermann

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