Anforderungen an die Commercial Due Diligence bei digitalen Geschäftsmodellen
Bluemont Consulting, München
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22. Dezember 2019
1. Was genau versteht man unter einer Digital Commercial Due Diligence?
Die Digitalisierung hat nicht nur die Geschäftsmodelle von Unternehmen grundsätzlich verändert, sondern auch einen zunehmenden Einfluss auf Due Diligence Prüfungen im Rahmen von Unternehmenstransaktionen – insbesondere im kommerziellen Kontext. Auf der einen Seite ist der Anteil reiner Digital-Unternehmen in den Portfolios der Private Equity-Gesellschaften in den letzten Jahren stark angestiegen, auf der anderen Seite sind traditionelle Unternehmen zunehmend digitalen Veränderungen und einem intensiveren digitalen Wettbewerb ausgesetzt. Es zeigt sich, dass gerade bei Unternehmen mit klassischem nicht digitalem Geschäftsmodell digitale Komponenten nicht ausreichend gewürdigt werden.
Im Rahmen der Digital Commercial Due Diligence bewertet man folglich diese Themen und fokussiert sich sowohl auf die Evaluierung von digitalen Unternehmen bzw. Geschäftsmodellen als auch auf die Bewertung der „Digital Readiness“ von traditionellen Unternehmen. Insbesondere bei der Prüfung von reinen Online-Playern reicht es nicht mehr aus, den klassischen Commercial Due Diligence Ansatz zu verfolgen, da die Unterschiede zwischen den Wertschöpfungsmodellen zu hoch sind. Digitale Unternehmen sind „asset-light“, hoch skalierbar und in der Regel internationaler ausgerichtet. Auch unterscheiden sich die Sales Engine, die Kultur und das Team deutlich, um nur einige Beispiele zu nennen. Dies erfordert den gezielten Einsatz digitaler Werkzeuge und Methoden und ein fundiertes Verständnis digitaler Geschäftsmodelle (E‑Commerce, Marketplace, Network etc.) bei der kommerziellen Prüfung. So müssen zusätzliche digitale Module wie beispielsweise die Analyse der Online-Performance und der Sales Engine (u.a. Kohorten-Analyse, Conversion Rates, KPIs zu CAC, CPC, SEO, SEA), der User Experience und Usability oder des Tech Stack und der IT-Infrastruktur/ Technologien ergänzt werden, um eine vollumfängliche und adäquate Prüfung zu gewährleisten.
Aus soeben genannten Gründen spüren wir eine verstärkte Nachfrage für die Durchführung von Digital Commercial Due Diligences.
2. Mit welchen Fragestellungen werden Unternehmen mit herkömmlichen Geschäftsmodellen, das heißt traditionellen Wertschöpfungsmodellen, hierbei konfrontiert?
Vorab: Grundsätzlich gewinnen digitale Fragestellungen auch bei Finanzinvestoren zunehmend an Bedeutung. Im Wesentlichen ist zu beantworten, wie stark man dem digitalen Wandel ausgesetzt ist, wie gut das Unternehmen darauf vorbereitet ist und welche Risiken und Chancen sich hieraus für das Unternehmen ergeben.
Hierbei spielt insbesondere der Grad der Digitalisierung sowie die Onlinepräsenz des Targets eine entscheidende Rolle. Diese muss verglichen werden mit Markt und Wettbewerb. Hier betrachten wir insbesondere die zukünftige Marktentwicklung im Onlinesegment oder die Positionierung des Targets verglichen zum Wettbewerb (bspw. Onlinekompetenzen vs. Kernwettbewerb). Darüber hinaus analysieren wir digitale Fragestellungen entlang der gesamte Customer Journey. Auch der mögliche Einfluss neuer Spieler bzw. etablierter Onlineplayer, wie bspw. Amazon, wird analysiert und bewertet. So besetzt bspw. Amazon im Konsumgüterumfeld zunehmend Einkaufskategorien mit Private Label Produkten, was für etablierte Spieler zum Teil ein erhebliches Risiko darstellt und somit „Game-Changing“ Potenzial besitzt. Entsprechend spielt der Umsatzanteil, der heute und zukünftig online erwirtschaftet wird, eine entscheidende Rolle, da diese Komponente auch in die Business Planung eines Zielunternehmens einfließt.
Im Rahmen der Digital Commercial Due Diligence führen wir bei Unternehmen mit nicht rein digitalen Geschäftsmodellen zur Prüfung der oben genannten Themen daher ein Digital Readiness & Opportunity Assessment durch. Es werden zentrale Investmentkriterien beleuchtet, die in dieser Form in einer herkömmlichen Commercial Due Diligence nicht adressiert und geprüft worden wären.
3. Wie kann ein Unternehmer die “Digital Readiness” seines Unternehmens feststellen und sich auf einen Transaktionsprozess optimal vorbereiten?
Bei Transaktionsprozessen sollte sich ein Unternehmer schon im Vorfeld eines Verkaufs auf diese Themen vorbereiten. Grundsätzlich wird bei einem Digital Readiness & Opportunity Assessment der Digitalisierungsgrad eines Unternehmens geprüft, sprich, wie digital ist das Unternehmen und insbesondere das Geschäftsmodell aufgestellt und gibt es ausreichend digitale Kompetenzen innerhalb der Organisation. Im Wesentlichen gilt es, zu evaluieren, inwieweit die Wertschöpfungskette ausreichend digitalisiert ist, angefangen bei Forschung & Entwicklung und agilen Entwicklungsmethoden, bis hin zu der digitalen Reife der Supply Chain. Entscheidend ist, welche online Vertriebskanäle genutzt werden und wie der Vertrieb über die gesamte Customer Journey und User Experience auf digitale Anforderungen ausgerichtet ist.
Hierbei werden die bestehenden Prozesse, die IT-Landschaft und ‑Roadmap eines Unternehmens betrachtet. Auch das zuständige Personal bzw. die in-house IT-Kompetenzen spielen eine wichtige Rolle, um einschätzen zu können, inwieweit relevantes IT-Know-How in der Organisation vorhanden ist. — Gepaart mit Analysen zu Markt und Wettbewerb wird evaluiert, wie zukunftsfähig ein Unternehmen bezogen auf Digitalisierung und Automatisierung ist. Bei Unternehmen, die dem digitalen Wandel stark ausgesetzt sind, empfiehlt es sich, bereits im Vorfeld einer angedachten Transaktion ein Digital Readiness & Opportunity Assessment durchzuführen und notwendige Transformationsinitiativen einzuleiten. Dies führt zu einer deutlichen Verbesserung des Investment Rationales.
Markus Fränkel
Markus ist geschäftsführender Gesellschafter von Bluemont Consulting. Er verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung in Management-Beratungen und der Industrie. Er war bei renommierten Managementberatungen tätig, wie z.B. 12 Jahre bei A.T. Kearney als Head of Marketing & Communication für Zentraleuropa. Die Basis seiner profundne Erfahrung im Bereich Konsumgüterindustrie und Handel hat er als Head of Key-Account-Management bei der Chokoladefabriken Lindt & Sprüngli sowie als Berater bei der MC Marketing Corporation gelegt. Ein Beratungsschwerpunkt ist der Bereich Transaction Services. Hier war Markus in mehr als 100 Due Diligences und rund 200 Beratungsprojekten in unterschiedlichen Branchen und im digitalen Umfeld beteiligt. Markus hat Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim studiert.