Die Haftung bei Kapitalanlagen — der Gerichtsprozess als Spiegelbild enttäuschter Erwartungen
Auf Basis vollständiger und richtiger Informationen fortlaufend korrekte Entscheidungen zu treffen ist eine Herausforderung, welcher sich jeder Investor, auch der Kapitalanleger zu stellen hat. Im Falle eines fehlgeschlagenen Investments ist der Anreiz groß, die eigene Verantwortung vor Gericht kleinzureden. Die Ansatzpunkte sind in der heutigen Zeit vielfältig.
Mittels Internetrecherche werden im nachhinein vorgeblich entscheidungsrelevante, aber dem Entscheider, nämlich dem Anleger, seitens der Bank nicht gegebene Informationen ans Licht gebracht. Der mündige Bürger stellt sich als Opfer der Überredungskünste professioneller Berater dar. Schriftlich eindeutig dokumentierte Fakten werden plötzlich in Abrede gestellt. — Die Rechtsprechung insbesondere des XI. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes trägt ihren Teil dazu bei, Kapitalanleger zu entmündigen, wenn nämlich selbst professionellen Marktteilnehmern die Fähigkeit abgesprochen wird, Risiken zu erkennen und Entscheidungen danach auszurichten, wie zuletzt in der Angelegenheit Ille Waschraumhygiene gegen Deutsche Bank beim CMS Spread Ladder Swap geschehen (Az. XI ZR 33/10).
Bei hochspekulativen Investments erleben wir es sehr häufig, dass es erste erfolgreiche Investitionen waren, welche beim Anleger das Interesse an weiteren, voluminöseren Investments weckten. Dabei gilt auch hier die Grundregel, dass ein Geschäft, welches mit erheblichem Gewinn innerhalb kurzer Zeit erfolgreich abgeschlossen wurde, genauso gut und mit ähnlichem Ergebnis in die ganz andere Richtung hätte laufen können. — Dennoch lassen viele Gerichte als Warnung des Anlegers zwar negativ verlaufende Erstgeschäfte ausreichen, nicht aber positive Anlageerfahrungen. Umso schlimmer in diesem Kontext: Vor Gericht muss heftig darum gestritten werden, dass der Anleger sich zumindest diejenigen Erträgnisse auf seinen Schaden anrechnen lässt, welche er aus ähnlichen Geschäften in der Vergangenheit bereits erwirtschaftet hat. Es ist dies an sich ein Gebot des gesunden Menschenverstandes und der Fairness; diese Gebote haben in vielen Rechtstreitigkeiten aber keinen Platz.
Keine andere Frage hat in der Haftungsrechtsprechung der letzten Jahre eine ähnliche Dimension erfahren, wie diejenige der Vergütung der Banken. Dabei kann niemand die Augen vor der Tatsache verschließen, dass Banken nicht unentgeltlich tätig sind. Wenn also der Kunde für eine Finanzdienstleistung unmittelbar an die beratende Bank kein Entgelt leistet, ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Bank von dritter Seite vergütet wird, wie insbesondere beim Vertrieb geschlossener Beteiligungen.
Dennoch halten mehrere Zivilsenate des Bundesgerichtshofes Banken diesbezüglich für aufklärungspflichtig. Wenigstens hat der Bundesgerichtshof jüngst mit aller nur wünschenswerten Deutlichkeit dargestellt, dass — wie bei jedem Wirtschaftsunternehmen — die Kalkulation interner Gewinnmargen Sache der Banken ist und sie daher Margen aus dem Vertrieb von Produkten, welche in den Investitionsbetrag des Anlegers eingepreist sind, nicht aufdecken müssen. — Was die Vergütung des einzelnen Bankers anbelangt: Deren Höhe ist weder haftungsbegründend, noch aufklärungspflichtig. Dennoch schwingt hier ein etwaiges soziales Ungleichgewicht zwischen Anleger und Berater bei der Entscheidungsfindung im Sinne eines “Bauchgefühls” mit.