ALTERNATIVE FINANZIERUNGSFORMEN
FÜR UNTERNEHMER UND INVESTOREN
3 Fragen an kluge Köpfe
Foto: Dr. Andreas Langemann

Die Konsolidierung im Gesundheitssektor gewinnt an Fahrt

Dazu 3 Fragen an Dr. Andreas Langemann

Corpo­rate Finance Mittel­stands­be­ra­tung, Düsseldorf
Foto: Dr. Andreas Langemann
2. Okto­ber 2024

Die Kran­ken­häu­ser in Deutsch­land stehen finan­zi­ell unter hohem Druck: Das RWI erwar­tet laut Kran­ken­haus-Rating-Report für 2024 bei 70% aller Kran­ken­häu­ser einen Jahres­fehl­be­trag, ab 2025 für 80% der Kran­ken­häu­ser. Das Phäno­men einer Insol­venz von Kran­ken­häu­sern war bis zum Ende der Corona-Hilfen nahezu unbe­kannt. Doch in 2023 waren bereits rund 30 Insol­ven­zen zu verzeich­nen, über­wie­gend in Eigen­ver­wal­tung bzw. im Schutz­schirm­ver­fah­ren. Für das Jahr 2024 rech­net die Deut­sche Kran­ken­haus­ge­sell­schaft mit etwa 80 Insol­ven­zen, das Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­rium geht sogar von 100–130 aus.
In Zukunft rücken Koope­ra­tio­nen und Fusio­nen verstärkt in den Fokus.


Dazu 3 Fragen an Dr. Andreas Lange­mann, Part­ner bei Corpo­rate Finance Mittel­stands­be­ra­tung, Düssel­dorf, cf-mb.de

1. Kran­ken­häu­ser bilden das Rück­grat unse­rer Gesund­heits­ver­sor­gung. Sie müssen in allen medi­zi­ni­schen wie admi­nis­tra­ti­ven Berei­chen so aufge­stellt sein, dass sie in puncto Quali­tät und Effi­zi­enz über­zeu­gen. Wie können Kran­ken­häu­ser dieses Ziel erreichen?

Die drohende Zahlungs­un­fä­hig­keit sowie der anste­hende Liqui­di­täts­be­darf zum Abbau von Betten-Über­ka­pa­zi­tä­ten, zur Leis­tungs­spe­zia­li­sie­rung der bishe­ri­gen „Voll­sor­ti­men­ter“ und zur Vernet­zung mit ande­ren Gesund­heits­an­bie­tern erfor­dern finan­zi­elle Mittel von außen. Die duale Kran­ken­haus­fi­nan­zie­rung sieht jedoch grund­sätz­lich keine Zufüh­rung exter­ner Finanz­mit­tel vor: Die Betriebs­kos­ten (Perso­nal, Medi­ka­mente, Ener­gie, Verpfle­gung, bezo­gene Leis­tun­gen) sollen zu 100% von den Kran­ken­kas­sen und ‑versi­che­run­gen gedeckt werden, die inves­ti­ven Maßnah­men (Abschrei­bun­gen, Mieten, Leasing) zu 100% über Förder­mit­tel der Bundes­län­der. Der zur Finan­zie­rung der Kran­ken­haus­re­form ange­dachte Trans­for­ma­ti­ons­fonds führt nur zu einem verzö­ger­ten und zeit­lich über zehn Jahre gestreck­ten Mittel­zu­fluss, der das akute Liqui­di­täts­pro­blem nicht lösen kann.

Der drän­gende Mittel­be­darf ist in den drei Träger­grup­pen „öffent­lich“, „privat“ und „kirch­lich“ höchst unter­schied­lich ausge­prägt: Öffent­li­che Häuser werden, sofern die Haus­halts­lage dies zulässt, von ihrem kommu­na­len Eigen­tü­mer gestützt. In priva­ten Klinik­grup­pen werden die defi­zi­tä­ren Häuser im Cash-Pool mit der notwen­di­gen Liqui­di­tät versorgt und grup­pen­in­tern saniert. Soli­täre kirch­li­che Akut­kran­ken­häu­ser unter­halb einer kriti­schen Größe sind derzeit am stärks­ten von der Insol­venz­ge­fahr betrof­fen. Mit der Verschlech­te­rung der kommu­na­len Haus­halts­si­tua­tion (Gewer­be­steuer-Aufkom­men, Sozi­al­hilfe-Zahlun­gen) ist künf­tig damit zu rech­nen, dass öffent­li­che Kran­ken­häu­ser zuneh­mend insol­vent werden, da ihre Eigen­tü­mer keine Zuschüsse leis­ten oder Darle­hen gewäh­ren können. Wir gehen davon aus, dass städ­ti­sche und Land­kreis-Klini­ken in stei­gen­dem Maße Probleme mit ihrer Zahlungs­fä­hig­keit bekom­men werden.

In dieser Situa­tion ist die Fremd­ka­pi­tal­auf­nahme bei Banken und Spar­kas­sen erschwert, wenn nicht gar unmög­lich. Koope­ra­ti­ons­ver­träge mit ande­ren Gesund­heits­dienst­leis­tern fördern zwar die notwen­dige Vernet­zung, führen dem betref­fen­den Kran­ken­haus aber keine Finanz­mit­tel zu. Auch die Beauf­tra­gung eines Inte­rims- oder Sanie­rungs­ma­nage­ments ist meis­tens nicht ziel­füh­rend, da kein Geld mitge­bracht wird. Es gibt in den Kran­ken­häu­sern selten ein Erkennt­nis­pro­blem, sondern ein Umset­zungs­pro­blem. Als Ausweg bleibt nur der Einstieg eines stra­te­gi­schen Inves­tors, der neben Markt­kennt­nis und Sanie­rungs­er­fah­rung über die entspre­chen­den Finanz­mit­tel verfügt.

Als stra­te­gi­sche Inter­es­sen­ten kommen lokale Kran­ken­häu­ser, über­re­gio­nale Klinik­ket­ten oder Inves­to­ren, die eine Platt­form für den Aufbau ambu­lan­ter Ketten suchen, infrage. Zu den über­re­gio­nal akti­ven Klinik­ket­ten zählen etwa Private, wie Helios, Askle­pios, Sana, Ameos, Arte­med oder Schön, und Frei­ge­mein­nüt­zige, wie z.B. die Alexia­ner, Fran­zis­ka­ner, Johan­ni­ter oder Agap­le­sion. Lokale Lösun­gen wurden in der Vergan­gen­heit häufig mit Univer­si­täts­kli­nika oder groß­städ­ti­schen kommu­na­len Klinik­grup­pen gesucht.

Bei einem recht­zei­tig, vor drohen­der Zahlungs­un­fä­hig­keit einge­lei­te­ten M&A‑Verkaufsprozess kann die Betei­li­gung eines stra­te­gi­schen Inves­tors plan­voll, struk­tu­riert und geord­net unter Leitung des bishe­ri­gen Trägers aktiv gestal­tet werden. Droht jedoch die Zahlungs­un­fä­hig­keit oder ist diese – neben der Über­schul­dung ohne Fort­füh­rungs­pro­gnose – bereits einge­tre­ten, ist der Altei­gen­tü­mer des Akut­kran­ken­hau­ses nur noch Zuschauer im weite­ren Gestaltungsprozess.

2. Wie sieht der M&A‑Prozess im Rahmen eines Insol­venz­ver­fah­rens aus?

Nach Bean­tra­gung der Insol­venz verschafft sich das betref­fende Kran­ken­haus eine Atem­pause durch den Zufluss des Insol­venz­gel­des (bis zu 80% der Betriebs­kos­ten sind Perso­nal­kos­ten), die Kündi­gung unvor­teil­haf­ter Verträge, das Ausset­zen von Lohn­steuer–  und Umsatz­steu­er­zah­lun­gen etc.

Die Insol­venz­ver­fah­ren werden stets als Dual-Track-Verfah­ren durch­ge­führt. – Also Erstel­lung eines Gutach­tens zur Sanie­rung in Eigen­re­gie und paral­lel  der Verkauf an einen solven­ten Inter­es­sen­ten. Um die best­mög­li­che Befrie­di­gung der Gläu­bi­ger sicher­zu­stel­len, müssen neben der Sanie­rung auch Kauf­ge­bote von Inter­es­sen­ten einge­holt werden, die dann das Kran­ken­haus mit Liqui­di­tät ausstat­ten und dieses selbst sanie­ren. Die Gläu­bi­ger entschei­den letzt­lich, welcher Alter­na­tive sie den Vorzug geben. Erst wenn Sanie­rung oder Verkauf schei­tern, kommt es zur Liqui­da­tion. Da an der Kran­ken­haus­ge­sell­schaft öffent­lich-recht­li­che Zulas­sun­gen und Geneh­mi­gun­gen hängen, z.B. die Aufnahme als Plan­kran­ken­haus oder die Geneh­mi­gung von Förder­mit­teln, erfolgt die M&A‑Transaktion typi­scher­weise im Wege eines Share Deals und nicht als über­tra­gende Sanierung.

Entschei­den sich die Gläu­bi­ger für den M&A‑Prozess, so findet der Verkauf häufig inner­halb einer Träger­gruppe oder bei einer sinn­vol­len loka­len Lösung auch an einen träger­frem­den Inter­es­sen­ten statt. Die weni­gen großen M&A‑Transaktionen im Rahmen einer Insol­venz betra­fen oftmals öffent­li­che Akut­kran­ken­häu­ser, beispiel­haft die imland Klini­ken an die Schön Klinik Gruppe in 2023 oder die frän­ki­schen Regio­med-Klini­ken an die Sana Klini­ken in 2024. Nicht selten geben auch die bishe­ri­gen Gesell­schaf­ter ein Erwerbs­an­ge­bot mit Sanie­rungs­kon­zept ab, das sich mit den ande­ren Ange­bo­ten messen lassen muss. Die Altei­gen­tü­mer können inso­fern nur indi­rekt im Wege der Abgabe eines eige­nen Ange­bots Einfluss auf das weitere Schick­sal ihrer (alten) Klinik nehmen. — Wegen der Unsi­cher­hei­ten bezüg­lich der Kran­ken­haus­re­form halten sich derzeit externe Inter­es­sen­ten noch zurück, um kein vermeint­li­ches Fehl­in­vest­ment zu täti­gen. Es ist davon auszu­ge­hen, dass sich das Inter­esse an Akut­kran­ken­häu­sern wieder signi­fi­kant verbes­sern wird, sobald die Bundes­län­der dem Geset­zes­werk zustim­men (oder ihre Zustim­mung versa­gen) und erste Erfah­run­gen gesam­melt wurden.

3. Welche konkre­ten Lösungs­schritte sind zu empfehlen?

Möchte der bishe­rige Träger des kriseln­den Kran­ken­hau­ses das Heft des Handelns in der Hand behal­ten, sollte er sich früh­zei­tig mit einem M&A‑Prozess ausein­an­der­set­zen und nicht erst bei Insol­venz quasi als Zuschauer vom Spiel­feld­rand indi­rekt Einfluss zu nehmen versu­chen. Der M&A‑Prozess ist kein nach­ran­gi­ger Lösungs­weg, sondern neben dem Sanie­rungs­ver­such in Eigen­re­gie ein gleich­be­rech­tig­ter Bestand­teil eines jeden Insol­venz­ver­fah­rens. Die früh­zei­tige Ausein­an­der­set­zung beinhal­tet die inten­sive Befas­sung mit mögli­chen Sanie­rungs­maß­nah­men vor drohen­der oder einge­tre­te­ner Zahlungs­un­fä­hig­keit, die recht­zei­tige Kontakt­auf­nahme mit exter­nen Kapi­tal­ge­bern und das syste­ma­ti­sche Zusam­men­tra­gen bewer­tungs- und trans­ak­ti­ons­re­le­van­ter Doku­mente. Denn ist das Insol­venz­ver­fah­ren einmal bean­tragt worden, sind Zeit und Ressour­cen für die Anbah­nung des Verkaufs­pro­zes­ses äußerst knapp und können vom Altei­gen­tü­mer kaum noch beein­flusst werden.

Da das Kran­ken­haus und sein Eigen­tü­mer zum ersten (und hoffent­lich letz­ten) Mal mit einer derar­ti­gen Krisen­si­tua­tion konfron­tiert sind, bietet sich die frühe Manda­tie­rung eines M&A‑Beraters an, der außer der nöti­gen M&A‑Erfahrung in Insol­venz­ver­fah­ren oder insol­venz­na­hen Fällen auch die Fach- und Markt-Exper­tise mitbringt. Über einen belast­ba­ren Kontakt zu Gläu­bi­ger­ban­ken und ‑spar­kas­sen, mögli­chen Inter­es­sen­ten und angren­zen­den Bera­tern sollte das manda­tierte M&A‑Unternehmen unbe­dingt verfü­gen. Nur wer die Befind­lich­kei­ten, Usan­cen und Bedürf­nisse der Gläu­bi­ger und sanie­rungs­er­fah­re­nen stra­te­gi­schen Inves­to­ren kennt, kann die Vorbe­rei­tungs­maß­nah­men für einen M&A‑Prozess in der Kürze der Zeit ziel­ge­rich­tet durchführen.

Übri­gens sind auch im hoch­frag­men­tier­ten Markt für statio­näre Pfle­ge­ein­rich­tun­gen als weitere Gruppe von Gesund­heits­dienst­leis­tern zuletzt die Insol­ven­zen größe­rer Pfle­ge­ket­ten, wie Convivo, Dorea, Curata Care, Hansa Pflege oder Novent, aufge­fal­len. Lokale Schlie­ßun­gen allein­ste­hen­der Pfle­ge­heime blei­ben hinge­gen in der bundes­wei­ten Wahr­neh­mung unbe­ach­tet, obwohl sie das Gros der Insol­ven­zen in diesem Sektor darstel­len. Die Lösungs­an­sätze für Kran­ken­häu­ser in der Krise gelten prin­zi­pi­ell für Pfle­ge­be­triebe genauso.

 

Über Dr. Andreas Lange­mann, andreas.langemann@cf-mb.de

Dr. Andreas Lange­mann hat eine mehr als 25-jährige M&A- und Finanz­ex­per­tise bei Bera­tungs­un­ter­neh­men, Invest­ment­ban­ken und einem Gesund­heits­kon­zern aufge­baut, u.a. als Geschäfts­füh­rer und zuletzt als Leiter des M&A‑Bereichs einer Bera­tungs­ge­sell­schaft im Health­care-Sektor. Neben der Health­care-Bran­che hat er sich auf Unter­neh­men der öffent­li­chen Daseins­vor­sorge spezialisiert.

Dabei konnte Dr. Lange­mann zahl­rei­che Kauf- bzw. Verkaufs­man­date, Vermö­gens­aus­ein­an­der­set­zun­gen oder Trans­ak­tio­nen in Sonder­si­tua­tio­nen erfolg­reich durch­füh­ren. Darüber hinaus hat er Mach­bar­keits- und Restruk­tu­rie­rungs­stu­dien, Analy­sen für den Markt­ein­tritt von Finanz­in­ves­to­ren und Gutach­ten zu Unter­neh­mens­be­wer­tun­gen erstellt. Dr. Lange­mann hält regel­mä­ßig Gast­vor­träge an der Fried­rich-Schil­ler-Univer­si­tät Jena zu M&A–  oder Rech­nungs­le­gungs­the­men und publi­ziert laufend in Fachzeitschriften.

 

Über die Corpo­rate Finance Mittel­stands­be­ra­tung GmbH

Die Corpo­rate Finance Mittel­stands­be­ra­tung GmbH (CF-MB) wurde im August 2012 gegrün­det. Das Team der CF-MB besteht aus erfah­re­nen Bera­tern. Ein Groß­teil des Teams bringt lang­jäh­rige Erfah­run­gen, weit­rei­chende Kontakte und profes­sio­nel­les Produkt-Know-how im Bereich Corpo­rate Finance durch ihre Tätig­keit bei der ehema­li­gen WestLB AG mit. — www.cf-mb.de

 

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