Die Konsolidierung im Gesundheitssektor gewinnt an Fahrt
Die drohende Zahlungsunfähigkeit sowie der anstehende Liquiditätsbedarf zum Abbau von Betten-Überkapazitäten, zur Leistungsspezialisierung der bisherigen „Vollsortimenter“ und zur Vernetzung mit anderen Gesundheitsanbietern erfordern finanzielle Mittel von außen. Die duale Krankenhausfinanzierung sieht jedoch grundsätzlich keine Zuführung externer Finanzmittel vor: Die Betriebskosten (Personal, Medikamente, Energie, Verpflegung, bezogene Leistungen) sollen zu 100% von den Krankenkassen und ‑versicherungen gedeckt werden, die investiven Maßnahmen (Abschreibungen, Mieten, Leasing) zu 100% über Fördermittel der Bundesländer. Der zur Finanzierung der Krankenhausreform angedachte Transformationsfonds führt nur zu einem verzögerten und zeitlich über zehn Jahre gestreckten Mittelzufluss, der das akute Liquiditätsproblem nicht lösen kann.
Der drängende Mittelbedarf ist in den drei Trägergruppen „öffentlich“, „privat“ und „kirchlich“ höchst unterschiedlich ausgeprägt: Öffentliche Häuser werden, sofern die Haushaltslage dies zulässt, von ihrem kommunalen Eigentümer gestützt. In privaten Klinikgruppen werden die defizitären Häuser im Cash-Pool mit der notwendigen Liquidität versorgt und gruppenintern saniert. Solitäre kirchliche Akutkrankenhäuser unterhalb einer kritischen Größe sind derzeit am stärksten von der Insolvenzgefahr betroffen. Mit der Verschlechterung der kommunalen Haushaltssituation (Gewerbesteuer-Aufkommen, Sozialhilfe-Zahlungen) ist künftig damit zu rechnen, dass öffentliche Krankenhäuser zunehmend insolvent werden, da ihre Eigentümer keine Zuschüsse leisten oder Darlehen gewähren können. Wir gehen davon aus, dass städtische und Landkreis-Kliniken in steigendem Maße Probleme mit ihrer Zahlungsfähigkeit bekommen werden.
In dieser Situation ist die Fremdkapitalaufnahme bei Banken und Sparkassen erschwert, wenn nicht gar unmöglich. Kooperationsverträge mit anderen Gesundheitsdienstleistern fördern zwar die notwendige Vernetzung, führen dem betreffenden Krankenhaus aber keine Finanzmittel zu. Auch die Beauftragung eines Interims- oder Sanierungsmanagements ist meistens nicht zielführend, da kein Geld mitgebracht wird. Es gibt in den Krankenhäusern selten ein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Als Ausweg bleibt nur der Einstieg eines strategischen Investors, der neben Marktkenntnis und Sanierungserfahrung über die entsprechenden Finanzmittel verfügt.
Als strategische Interessenten kommen lokale Krankenhäuser, überregionale Klinikketten oder Investoren, die eine Plattform für den Aufbau ambulanter Ketten suchen, infrage. Zu den überregional aktiven Klinikketten zählen etwa Private, wie Helios, Asklepios, Sana, Ameos, Artemed oder Schön, und Freigemeinnützige, wie z.B. die Alexianer, Franziskaner, Johanniter oder Agaplesion. Lokale Lösungen wurden in der Vergangenheit häufig mit Universitätsklinika oder großstädtischen kommunalen Klinikgruppen gesucht.
Bei einem rechtzeitig, vor drohender Zahlungsunfähigkeit eingeleiteten M&A‑Verkaufsprozess kann die Beteiligung eines strategischen Investors planvoll, strukturiert und geordnet unter Leitung des bisherigen Trägers aktiv gestaltet werden. Droht jedoch die Zahlungsunfähigkeit oder ist diese – neben der Überschuldung ohne Fortführungsprognose – bereits eingetreten, ist der Alteigentümer des Akutkrankenhauses nur noch Zuschauer im weiteren Gestaltungsprozess.
Nach Beantragung der Insolvenz verschafft sich das betreffende Krankenhaus eine Atempause durch den Zufluss des Insolvenzgeldes (bis zu 80% der Betriebskosten sind Personalkosten), die Kündigung unvorteilhafter Verträge, das Aussetzen von Lohnsteuer– und Umsatzsteuerzahlungen etc.
Die Insolvenzverfahren werden stets als Dual-Track-Verfahren durchgeführt. – Also Erstellung eines Gutachtens zur Sanierung in Eigenregie und parallel der Verkauf an einen solventen Interessenten. Um die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger sicherzustellen, müssen neben der Sanierung auch Kaufgebote von Interessenten eingeholt werden, die dann das Krankenhaus mit Liquidität ausstatten und dieses selbst sanieren. Die Gläubiger entscheiden letztlich, welcher Alternative sie den Vorzug geben. Erst wenn Sanierung oder Verkauf scheitern, kommt es zur Liquidation. Da an der Krankenhausgesellschaft öffentlich-rechtliche Zulassungen und Genehmigungen hängen, z.B. die Aufnahme als Plankrankenhaus oder die Genehmigung von Fördermitteln, erfolgt die M&A‑Transaktion typischerweise im Wege eines Share Deals und nicht als übertragende Sanierung.
Entscheiden sich die Gläubiger für den M&A‑Prozess, so findet der Verkauf häufig innerhalb einer Trägergruppe oder bei einer sinnvollen lokalen Lösung auch an einen trägerfremden Interessenten statt. Die wenigen großen M&A‑Transaktionen im Rahmen einer Insolvenz betrafen oftmals öffentliche Akutkrankenhäuser, beispielhaft die imland Kliniken an die Schön Klinik Gruppe in 2023 oder die fränkischen Regiomed-Kliniken an die Sana Kliniken in 2024. Nicht selten geben auch die bisherigen Gesellschafter ein Erwerbsangebot mit Sanierungskonzept ab, das sich mit den anderen Angeboten messen lassen muss. Die Alteigentümer können insofern nur indirekt im Wege der Abgabe eines eigenen Angebots Einfluss auf das weitere Schicksal ihrer (alten) Klinik nehmen. — Wegen der Unsicherheiten bezüglich der Krankenhausreform halten sich derzeit externe Interessenten noch zurück, um kein vermeintliches Fehlinvestment zu tätigen. Es ist davon auszugehen, dass sich das Interesse an Akutkrankenhäusern wieder signifikant verbessern wird, sobald die Bundesländer dem Gesetzeswerk zustimmen (oder ihre Zustimmung versagen) und erste Erfahrungen gesammelt wurden.
Möchte der bisherige Träger des kriselnden Krankenhauses das Heft des Handelns in der Hand behalten, sollte er sich frühzeitig mit einem M&A‑Prozess auseinandersetzen und nicht erst bei Insolvenz quasi als Zuschauer vom Spielfeldrand indirekt Einfluss zu nehmen versuchen. Der M&A‑Prozess ist kein nachrangiger Lösungsweg, sondern neben dem Sanierungsversuch in Eigenregie ein gleichberechtigter Bestandteil eines jeden Insolvenzverfahrens. Die frühzeitige Auseinandersetzung beinhaltet die intensive Befassung mit möglichen Sanierungsmaßnahmen vor drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit, die rechtzeitige Kontaktaufnahme mit externen Kapitalgebern und das systematische Zusammentragen bewertungs- und transaktionsrelevanter Dokumente. Denn ist das Insolvenzverfahren einmal beantragt worden, sind Zeit und Ressourcen für die Anbahnung des Verkaufsprozesses äußerst knapp und können vom Alteigentümer kaum noch beeinflusst werden.
Da das Krankenhaus und sein Eigentümer zum ersten (und hoffentlich letzten) Mal mit einer derartigen Krisensituation konfrontiert sind, bietet sich die frühe Mandatierung eines M&A‑Beraters an, der außer der nötigen M&A‑Erfahrung in Insolvenzverfahren oder insolvenznahen Fällen auch die Fach- und Markt-Expertise mitbringt. Über einen belastbaren Kontakt zu Gläubigerbanken und ‑sparkassen, möglichen Interessenten und angrenzenden Beratern sollte das mandatierte M&A‑Unternehmen unbedingt verfügen. Nur wer die Befindlichkeiten, Usancen und Bedürfnisse der Gläubiger und sanierungserfahrenen strategischen Investoren kennt, kann die Vorbereitungsmaßnahmen für einen M&A‑Prozess in der Kürze der Zeit zielgerichtet durchführen.
Übrigens sind auch im hochfragmentierten Markt für stationäre Pflegeeinrichtungen als weitere Gruppe von Gesundheitsdienstleistern zuletzt die Insolvenzen größerer Pflegeketten, wie Convivo, Dorea, Curata Care, Hansa Pflege oder Novent, aufgefallen. Lokale Schließungen alleinstehender Pflegeheime bleiben hingegen in der bundesweiten Wahrnehmung unbeachtet, obwohl sie das Gros der Insolvenzen in diesem Sektor darstellen. Die Lösungsansätze für Krankenhäuser in der Krise gelten prinzipiell für Pflegebetriebe genauso.
Über Dr. Andreas Langemann, andreas.langemann@cf-mb.de
Dr. Andreas Langemann hat eine mehr als 25-jährige M&A- und Finanzexpertise bei Beratungsunternehmen, Investmentbanken und einem Gesundheitskonzern aufgebaut, u.a. als Geschäftsführer und zuletzt als Leiter des M&A‑Bereichs einer Beratungsgesellschaft im Healthcare-Sektor. Neben der Healthcare-Branche hat er sich auf Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge spezialisiert.
Dabei konnte Dr. Langemann zahlreiche Kauf- bzw. Verkaufsmandate, Vermögensauseinandersetzungen oder Transaktionen in Sondersituationen erfolgreich durchführen. Darüber hinaus hat er Machbarkeits- und Restrukturierungsstudien, Analysen für den Markteintritt von Finanzinvestoren und Gutachten zu Unternehmensbewertungen erstellt. Dr. Langemann hält regelmäßig Gastvorträge an der Friedrich-Schiller-Universität Jena zu M&A– oder Rechnungslegungsthemen und publiziert laufend in Fachzeitschriften.
Über die Corporate Finance Mittelstandsberatung GmbH
Die Corporate Finance Mittelstandsberatung GmbH (CF-MB) wurde im August 2012 gegründet. Das Team der CF-MB besteht aus erfahrenen Beratern. Ein Großteil des Teams bringt langjährige Erfahrungen, weitreichende Kontakte und professionelles Produkt-Know-how im Bereich Corporate Finance durch ihre Tätigkeit bei der ehemaligen WestLB AG mit. — www.cf-mb.de