Spezialisierung in der Mittelstandsberatung funktioniert heute nur noch begrenzt
COVID hat im Grunde alle Themen, welche vor COVID klar waren, dass sie auf uns bzw. die Unternehmen zukommen, teils drastisch beschleunigt. Das augenfälligste Beispiel ist „Teams“ oder „früher Videotelefonie“. In der Folge: Reisezeiten wurden gekappt, Kosten entfielen, mobiles Arbeiten – Homeoffice etc. etc. waren mit einem „Fingerschnips“ etabliert. Dies zumindest in den Köpfen der Mitarbeiter und Kunden – lange noch nicht im Unternehmen, den Prozessen, der Qualitätssicherung, Produktentwicklung, in der Führungsmannschaft, HR, Vertrieb und Co..
Das heißt im Grunde, die Veränderungsgeschwindigkeit hat nochmals deutlich zugenommen, was auch ganz allgemein für Branchenentwicklungen, Technologien, Skills für die Mitarbeiter usw. gilt.
In Summe bedeutet dies, dass alle Bereiche des Unternehmens berührt sind und angepasst werden müssen. Es ist nicht mehr damit getan „nur“ Spezialgebiete zu behandeln, es gilt einen ganzheitlichen Blick auf das Zusammenspiel der Segmente zu etablieren. Es braucht viel Erfahrung, Weitblick und Planung, verbunden mit einer klaren Idee wie das Unternehmen künftige funktionieren soll, damit alle Räder wieder geschmeidig ineinandergreifen. Das sind wirkliche Herausforderungen, gerade dann, wenn noch Technologiebrüche wie bspw. im Automobilsektor hinzukommen.
Auch denkt der Unternehmer selbst früher „an sich“. Vorbei sind die Zeiten, wo der Kapitän bis in die Mitte seines siebten Lebensjahrzehntes auf der Brücke stand. Die heutige Generation denkt (zurecht) bereits Mitte fünfzig über die Nachfolge nach und auch sehr offen, ob dies in der Familie gelöst werden soll/kann. Aus unserer Sicht muss deshalb eine Mittelstandsberatung generalistisch aufgestellt sein. Es muss eine sehr erfahrene, mit Industrie — aber auch Finanzbackground ausgestattet Beratungsmannschaft sein, welche sattelfest obige Themen gemeinsam mit dem Unternehmer bespielen kann.
Im Nachlauf der Finanzkrise 2007 hat sich Europa überregulieren „lassen“. Banken stecken heute in einem Korsett, welches ein unternehmerisches Risiko im Grunde komplett vermeiden soll. Die daraus resultierende Standardisierung ist leider nicht wirklich passend für den deutschen Markt und hat an vielen Stellen mit der deutschen (Unternehmer-) Realität wenig zu tun. Die Neupositionierung der Banken (durch die Regulierung) bringt Strukturprobleme mit sich, die früher im Rahmen des (Kredit)Risikomanagement von den Banken mitgetragen wurden. Leider ist mit der „neuen Welt der Standardisierung“ bei den Banken ein gewisser Kompetenzverlust festzustellen, was gerade in schwierigen Unternehmenssituationen oder Konjunkturlagen Entscheidungen deutlich verlangsamt. Zusammengefasst bleibt festzuhalten, dass der deutsche Unternehmer seinen Risikopartner „Bank“ verloren hat, heute steht im „nur“ noch ein Geldgeber mit hohen formalen Hürden „zur Seite“. Folglich hat sich der Markt — und dies wird sich weiterhin verstärken — neue Wege gesucht.
Heute haben Eigenkapital der Unternehmen, Debt-Fonds; PE’s, alternative Finanzierungsformen einen erheblichen Anteil an den Bilanzen des breiten deutschen Mittelstandes, mit weiterwachsender Tendenz. Damit können weite Teile der entstandenen Finanzierungslücke geschlossen werden. Es wird allerdings nicht ohne Konsequenzen bleiben. Nach unserer Einschätzung wird dies den Strukturwandel unseres Landes — weg vom mittelständischen Familienunternehmen — hin zu größeren Konzerngebilden, weiter beschleunigen und damit den Mittelstand als den „größten Arbeitgeber“ in Deutschland erheblich verändern.
Wir dürfen den Markt nicht an jeder Stelle überregulieren Wir sollten den Unternehmern in unserem Land, die für Arbeitsplätze Sorge tragen, erhebliche Risiken auch persönlich eingehen nicht komplett „entmündigen“. Ein Unternehmer unternimmt, lassen wir ihn dies doch auch tun.
Wir sollten aufhören jedwedes Problem regeln zu wollen, um es danach über Subventionen „weg zu finanzieren“. – Ist es wirklich richtig anzunehmen, es sei besser, wenn die Politik, dem Markt, dem Unternehmen, Technologie Entscheidungen abnimmt? Stichworte: Elektro – Wasserstoff – Atomkraft – Wind – Solar? Werden Entscheidungen besser, wenn wir, um sie „marktreif“ zu machen, diese dann mit Steuergeldern in den Markt hinein subventionieren?
Ich denk nicht!
Insofern, klares Petitum: wir müssen wieder mehr Wettbewerb zulassen, Risiken eingehen, um damit Innovationen hervorzubringen, welche wir in unserem Land, in Europa dann marktreif entwickeln, produzieren und etablieren. Dies wird zu Wachstum und Stabilität führen.
Über Ralf Jourdan, ralf.jourdan@pebco.ag
Ralf Jourdan, Betriebswirt, ist seit mehr als 25 Jahren in relevanten Führungsfunktionen für Großunternehmen und den Mittelstand verantwortlich. Das Resultat: ein Höchstmaß an Erfahrung und ausgeprägtes Verständnis für strategische und betriebswirtschaftliche Zusammenhänge.
Seine Fach- und Führungskompetenz setzt er analytisch und strategisch zur Steuerung und Führung von Managementprozessen ein. So wurde er im Laufe der Jahre zu einem wertvollen Sparringspartner für Unternehmer und Manager.
Vor 10 Jahren hat er die Mittelstand Beratung PEBCO AG precise.consulting gegründet, zuvor war er 5 Jahre CEO eines Familienunternehmens in der Konsumgüterindustrie, davor war er 10 Jahre Mitglied der Geschäftsleitung und Bereichsvorstand Corporates einer großen europäischen Bankengruppe. Er hat 15 Jahre Erfahrung in Changemanagement und Restrukturierung sowie im Führen von Wachstumsszenarien.