ALTERNATIVE FINANZIERUNGSFORMEN
FÜR UNTERNEHMER UND INVESTOREN
3 Fragen an kluge Köpfe
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Woran fehlt es in der Finanzierung von Biotechs in Deutschland?

Dazu 3 Fragen an Dr. Christina Eschenfelder

RITTERSHAUS Rechts­an­wälte in Mannheim
16. Septem­ber 2020

Das Tübin­ger Biotech-Unter­­neh­­men Cure­Vac hat in 2020 in einer priva­ten Finan­zie­rungs­runde einen Gesamt­be­trag von ca. 640 Millio­nen Dollar (560 Millio­nen Euro) einge­sam­melt.  Betei­ligt haben sich unter ande­rem der Bund durch die Kredit­an­stalt für Wieder­auf­bau (KfW)  der briti­sche Konzern Glax­oS­mit­h­Kline (GSK)  und der Staats­fonds von Katar (QIA). Eine Finan­zie­rungs­runde dieser Größen­ord­nung stellt eine große Ausnahme in der Histo­rie deut­scher Biotech-Unter­­neh­­men dar. Steht die Entschei­dung über einen Börsen­gang an, entschei­den sich diese Unter­neh­men nahezu ausschließ­lich, sich in den USA listen zu lassen. Warum sind Biotech-Inves­­to­­ren in Deutsch­land so rar gesät und das regu­la­to­ri­sche Umfeld für Biotech-Unter­­neh­­men so unattraktiv? 


Dazu 3 Fragen an Dr. Chris­tina Eschen­fel­der, Part­ner bei RITTERSHAUS Rechts­an­wälte in Mannheim

1. Wie kommen Biotech-Unter­neh­men im aktu­el­len Umfeld an eine Finanzierung?
Biotech ist ein risi­ko­be­haf­te­tes und kapi­tal­in­ten­si­ves Segment. Ange­sichts beträcht­li­cher „burn rates“, die mit den umfang­rei­chen Forschungs- und Entwick­lungs­vor­ha­ben in der Biotech-Bran­che einher­ge­hen, sind die Unter­neh­men auf steti­gen Kapi­tal­zu­fluss ange­wie­sen. Dies gilt insbe­son­dere für solche Unter­neh­men, die noch keine eige­nen Produkte im Markt haben. Die Durch­füh­rung wieder­keh­ren­der, zunächst priva­ter Finan­zie­rungs­run­den ist daher zwin­gend. Ange­sichts der bestehen­den Unsi­cher­hei­ten, ob sich bspw. Wirk­stoff­kan­di­da­ten im Verlauf ihres Entwick­lungs- und Test­zy­klus über­haupt als geeig­net erwei­sen, ist  das einge­setzte Geld letzt­lich Risi­ko­ka­pi­tal; dies ist mögli­cher­weise selbst dann der Fall, wenn ein Unter­neh­men bereits längere Zeit opera­tiv tätig ist, einen etablier­ten Namen und mehrere hundert Mitar­bei­ter hat. 

In Deutsch­land beschränkt sich die Gruppe der namhaf­ten Biotech-Inves­to­ren daher auf Insti­tu­tio­nen oder vermö­gende Fami­lien, die ein beson­de­res persön­li­ches unter­neh­me­ri­sches, auch phil­an­thro­pisch unter­leg­tes Inter­esse am Erfolg von Biotech­no­lo­gie haben wie etwa Diet­mar Hopp. Wesent­lich häufi­ger erfol­gen unse­rer Erfah­rung nach Inves­ti­tio­nen durch stra­te­gi­sche Inves­to­ren und Finanz­in­ves­to­ren aus Über­see, insbe­son­dere aus dem nord­ame­ri­ka­ni­schen Raum. Zuneh­mend steigt auch die Anzahl von Inves­to­ren aus dem mitt­le­ren Osten und China.
2. Wo liegen die Heraus­for­de­run­gen für Biotech-Unter­neh­men ange­sichts weni­ger Biotech-Inves­to­ren hier­zu­lande? Warum sehen wir ausschließ­lich Börsen­gänge in den USA?
In Deutsch­land sind bran­chen­be­zo­gene Inves­to­ren und Inves­to­ren, die bereit sind, das mit der Biotech­no­lo­gie typi­scher Weise verbun­dene Inves­ti­ti­ons­ri­siko zu tragen, deut­lich unter­re­prä­sen­tiert. Im Ergeb­nis ist hier­zu­lande daher leider ein im Vergleich zur Wirt­schafts­leis­tung verschwin­dend gerin­ges Enga­ge­ment von Inves­to­ren im Bereich der Zukunfts­tech­no­lo­gien, insbe­son­dere bezo­gen auf Biotech, fest­zu­stel­len. In den USA, wo die Bereit­schaft zur Inves­ti­tion in risi­ko­be­haf­tete Bran­chen sicher ohne­hin ausge­präg­ter ist, sieht man beispiels­weise bedeu­tende Betei­li­gun­gen in Biotech­no­lo­gie-Unter­neh­men durch Pensi­ons-Fonds oder sog. Cross-Over-Inves­to­ren mit bran­chen­spe­zi­fi­schem Hinter­grund. Das gibt es in Deutsch­land so nicht. — Diese struk­tu­rel­len Stand­ort­nach­teile lassen sich bedau­er­li­cher Weise wohl auch nicht kurz­fris­tig spür­bar ändern. Für Biotech-Unter­neh­men hier­zu­lande dürfte die Kapi­tal­be­schaf­fung daher auch weiter­hin eine beson­dere Heraus­for­de­rung blei­ben. Da viele Biotech-Unter­neh­men früh inter­na­tio­nal ausge­rich­tet sind, lässt sich dieser Stand­ort­nach­teil bis zu einem gewis­sen Grad neutra­li­sie­ren, wenn von Anfang an Verbin­dun­gen in die inter­na­tio­nale Inves­to­ren-Commu­nity geknüpft werden. Ein mögli­cher Zugang zum Kapi­tal­markt ist natür­lich der Börsen­gang eines Unter­neh­mens. Aller­dings haben wir in den letz­ten Jahren keine Biotech-Gesell­schaf­ten gese­hen, die einen Börsen­gang in Deutsch­land gewagt hätten. Hierzu mag beitra­gen, dass vielen deut­schen Banken die flan­kie­rende Bran­chen-Exper­tise fehlt: Um ein Biotech-Unter­neh­men mit allen upsi­des und down­si­des bewer­ten zu können, ist eine Analy­se­ab­tei­lung mit entspre­chen­der Bran­chen­kennt­nis uner­läss­lich. Und die Analys­ten-Beglei­tung nach einem IPO ist für die Unter­neh­men ein ganz maßgeb­li­cher Aspekt. 

Gerade deut­sche Banken haben Biotech-Werte gar nicht erst in ihr Bera­tungs- und Analy­se­port­fo­lio aufge­nom­men oder aber vorhan­dene Kapa­zi­tä­ten abge­baut. Dies wirkt sich auch unmit­tel­bar auf das Kapi­tal­markt­um­feld aus: Der Börsen­gang eines Biotech-Unter­neh­mens in Deutsch­land wird bereits dadurch erschwert, dass eine kompe­tente Beglei­tung durch inlän­di­sche Konsor­ti­al­ban­ken kaum statt­fin­den kann. Aus diesem Grund werden inter­na­tio­nal renom­mierte Stand­orte von Tech­no­lo­gie­bör­sen wie New York oder Hong Kong ins Auge gefasst, um Börsen­gänge zu reali­sie­ren. An diesen Börsen­plät­zen sind die Banken entspre­chend aufge­stellt und können den erfolg­rei­chen IPO eines Biotech-Unter­neh­mens nicht zuletzt über eine ausrei­chende Zahl inter­na­tio­na­ler Inves­to­ren durch ihre Netz­werke fördern. Unab­hän­gig davon ist das deut­sche Akti­en­recht im inter­na­tio­na­len Vergleich für börsen­no­tierte Gesell­schaf­ten schwer­fäl­lig und bietet keine mit ande­ren auslän­di­schen Gesell­schafts­for­men vergleich­bare Flexi­bi­li­tät, etwa bei kurz­fris­ti­gen Finan­zie­rungs­er­for­der­nis­sen, der Ausnut­zung geneh­mig­ter Kapi­ta­lia oder dem Bezugs­rechts­aus­schluss. Häufig wird daher eine hollän­di­sche N.V. als Börsen­ve­hi­kel verwen­det, die als Mutter­ge­sell­schaft der deut­schen AG fungiert.
3. Wie könnte man die Umstände in Deutsch­land verbessern?
Es würde sicher­lich helfen, wenn das deut­sche Akti­en­recht Gesell­schaf­ten eine größere Flexi­bi­li­tät im Hinblick auf Kapi­tal-Beschaf­fungs­maß­nah­men einräu­men würde. Dies gilt insbe­son­dere für die Möglich­kei­ten, kurz­fris­tig auf Finan­zie­rungs­op­por­tu­ni­tä­ten und –bedürf­nisse reagie­ren zu können. Bislang gestal­tet sich die Kapi­tal­be­schaf­fung, selbst wenn bestehende geneh­migte Kapi­ta­lia verwen­det werden, deut­lich lang­wie­ri­ger als dies beispiels­weise bei der nieder­län­di­schen N.V., dem Pendant zur deut­schen AG, der Fall ist. Im Gegen­satz zur deut­schen AG ist die nieder­län­di­sche N.V. bei inter­na­tio­na­len Inves­to­ren als geeig­ne­tes auslän­di­sches Börsen­ve­hi­kel aner­kannt. Käme es in regu­la­to­ri­scher Hinsicht zu spür­ba­ren Erleich­te­run­gen, könnte dies mögli­cher Weise auch auf Inves­to­ren­seite zu einem Umden­ken beitra­gen und Biotech­no­lo­gie-Inves­ti­tio­nen auch in Deutsch­land attrak­ti­ver werden lassen. Dr. Chris­tina Eschen­fel­der hat in Würz­burg, Genf und Heidel­berg studiert und ist seit 2012 Part­ne­rin der Ritters­haus Rechts­an­wälte Part­ner­schafts­ge­sell­schaft mbB. Sie berät börsen- und nicht börsen­no­tierte Unter­neh­men sowie deren Aufsichts- und Geschäfts­füh­rungs­gre­mien vornehm­lich im Aktien- und Gesell­schafts­recht sowie in Fragen der Corpo­rate Gover­nance. Chris­tina Eschen­fel­der beglei­tet Inves­to­ren und Gesell­schaf­ten in Finan­zie­rungs­pro­zes­sen und berät natio­nal sowie inter­na­tio­nal agie­rende Unter­neh­men bei Struk­tu­rie­run­gen und Restruk­tu­rie­run­gen sowie im Bereich Mergers & Acqui­si­ti­ons.
 
Dr. Moritz Weber hat in Heidel­berg und Leuven studiert und ist seit 2016 Part­ner der Ritters­haus Rechts­an­wälte Part­ner­schafts­ge­sell­schaft mbB. Er berät im Rahmen inlän­di­scher und grenz­über­schrei­ten­der Unter­neh­mens­trans­ak­tio­nen sowie im allge­mei­nen Gesell­schafts- und Wirt­schafts­recht in opera­ti­ver und stra­te­gi­scher Hinsicht. Moritz Weber verfügt über umfang­rei­che Erfah­rung in der Bera­tung stra­te­gi­scher Inves­to­ren sowie Private Equity-Fonds bzw. Venture Capital-Investoren.

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