Verletzung von Bilanzgarantien
Mit einer Bilanzgarantie versichert der Verkäufer dem Käufer, dass der (meist letzte) Jahresabschluss, wie er festgestellt und ggf. geprüft wurde, richtig ist. Die Bilanz spiegelt letztlich die Vermögens‑, Finanz- und Ertragslage der verkauften Gesellschaft zum letzten Bilanzstichtag wieder. Gerade in sog. Locked Box Kaufverträgen spielt die letzte (oft geprüfte) Bilanz eine entscheidenden Rolle bei der Kaufpreisberechnung, da eine Kaufpreisanpassung auf den Vollzugstag nicht mehr möglich ist. Mittlerweile wird aber auch immer wieder versucht, die Bilanzgarantie als allgemeine Auffanggarantie zu benutzen. Gerade seit dem Vormarsch der W+I Versicherungen wird die Verletzung der Bilanzgarantie inflationär ins Feld geführt, gerade wenn der Käufer in Bezug auf andere Garantien, die eigentlich thematisch näher liegen würden, keine Verletzung geltend machen kann. Fast jede Verletzung einer operativen Garantie kann sich nämlich auf die Bilanz ausgewirkt haben.
Die Ausprägungen einer Bilanzgarantie sind vielfältig und daher kann um verschiedene Punkte trefflich gestritten werden. Folgende Themen sind typischerweise Verhandlungsmasse:
- Wird lediglich auf das Verkäuferwissen bei der Erstellung der Bilanz abgestellt oder auf die objektive Tatsachenlage?
- Wird lediglich auf die Regeln zur Aufstellung von Bilanzen abgestellt?
- Wird eine bestimmte Eigenkapitalhöhe versichert?
Vor allem wird aber über die Rechtsfolgen der Verletzung einer Bilanzgarantie gestritten, weil der Jahresabschluss und die Bilanz – anders als andere Garantieverletzungen – immer auf die Kaufpreisberechnung Einfluss nehmen. Das Hauptstreitfeld lässt sich mit den Schlagworten „Bilanzauffüllung“ vs. „Kaufpreisreduktion“ zusammenfassen. Die neuesten Gerichtsurteile deuten hier dogmatisch eher in Richtung Kaufpreisreduktion und eröffnen neue Argumentationslinien für die Buy-Side. Jedoch können die Parteien natürlich die Rechtsfolgen auch im Vertrag eigens regeln und sich für die dogmatisch fragwürdige Bilanzauffüllung entscheiden. Das Ergebnis wird von der situativen Verhandlungsmacht der Parteien abhängen. Inwieweit sich die wenigstens in Kontinentaleuropa oft ausgeschlossene auf Multiples gestützte Schadensberechnung in den Verhandlungen stärker durchsetzen kann (zumindest bei sog. recurring EBITDA items), bleibt abzuwarten.
Die letzten Gerichtsurteile haben auf der einen Seite Klarheit gebracht, wie verschiedene Formulierungen ausgelegt werden. Bei der Formulierung ist daher auf klare Sprache und Nuancen zu achten. Wenige Wörter können hier einen großen Unterschied machen. Auf der anderen Seite bestehen massive Unsicherheiten im Hinblick darauf, welche Rechtsfolgen eine verletze Bilanzgarantie nach sich zieht. Im Idealfall löst man diese Unsicherheiten trotz der dann wohl entstehenden langwierigen Verhandlungen in Bezug auf diesen Punkt direkt im Kaufvertrag, weil man sonst ggf. in lange post‑M&A Streitigkeiten gerät, die im Zweifel keiner Partei dienlich sind und weiter Geld kosten.
Über Daniel Wied
Dr. Daniel Wied ist im Münchner Büro von ARQIS seit 2016 als Partner tätig und unterstützt die bekannte Venture Capital-Praxis von Christoph von Einem bei der Beratung von Startup-Gesellschaften und Risikokapitalgebern. Herr Wied berät regelmäßig in Bezug auf Gesellschaftsgründungen und Finanzierungsrunden von der Konzeptentwicklungsphase bis zur Wachstumsphase. — Einen weiteren Schwerpunkt hat Dr. Daniel Wied auf Mergers & Acquisitions mit Fokus auf Private Equity-Transkationen (auch im Immobilienumfeld).
Daniel Wied studierte an der Universität Regensburg, absolvierte das Referendariat in Nürnberg und London und absolvierte das Magister iuris Studium an der University of Oxford, England. Von 2014 — 2015 war Daniel Wied bei DLA Piper UK LLP, München, davor bei Ashurst LLP (2013 — 2014), München und bei Kirkland & Ellis International LLP, München und New York, USA (2009 — 2013).