Corporates und Startups brauchen einander
Die Welt verändert sich rasant. Das wurde schon immer gesagt, aber die Geschwindigkeit der Veränderung hat in der Tat zugenommen. Nur ein Beispiel: Die Unternehmen im Börsenindex S&P500 waren 1960 im Schnitt über 60 Jahre alt, heute sind es nur noch 20 Jahre. Branchen verändern sich rasant. Große Datenmengen zu speichern und auszuwerten ist heute viel billiger und schneller als früher. Das ermöglicht ganz neue Geschäftsmodelle.
In diesem Anpassungsprozess bewegen sich Start-ups schneller als Corporates – häufig sind sie Treiber dieses Wandels durch neue Technologien, die sie auf den Markt bringen. Die Wettbewerbsfähigkeit der Corporates steht auf dem Spiel. Sie müssen sich mit Start-ups beschäftigen – sei es, um von ihnen zu lernen, ihre Produkte oder die kompletten Startups zu kaufen und zu integrieren oder um mit ihnen zu kooperieren, etwa in Entwicklungspartnerschaften.
Startups wiederum sind oft auf Corporates angewiesen. Das beginnt bei der Finanzierung von Wachstum. In den USA ist die Summe des Corporate-Venture-Kapitals 2018 auf knapp 100 Mrd. US-Dollar gestiegen, was einem Wachstum um fast 300% seit 2013 entspricht. Corporates können in Partnerschaftsmodellen Start-ups den Zugang zu Märkten vereinfachen und ihr Wachstum beschleunigen. Je schneller und größer Start-ups wachsen, desto mehr müssen am Ende auch Start-ups von Corporates lernen, gerade wenn es um stabile Prozesse zum Beispiel im Personalmanagement und der Qualitätssicherung geht.
In unserer Arbeit mit etablierten Unternehmen treffen wir bisweilen auf eine gewisse Frustration und Enttäuschung nach Initiativen oder Ventures mit Startups. Mit großen Plänen gestartet, macht sich Ernüchterung breit, wenn Themen nicht sofort abheben. Auf der anderen Seite arbeiten wir mit vielen Start-ups zusammen, die komplett frustriert von ihren Interaktionen mit Corporates berichten. Was ist hier los?
Wir sehen Herausforderungen in fünf Bereichen:
1) Zielkunden und Kommunikation: Viele Startups tun sich sehr schwer damit, die richtigen Corporates als Kunden oder für eine Partnerschaft auszuwählen. Und selbst wenn sie diese gefunden haben, fehlt ihnen der Zugang zu relevanten Entscheidungsträgern. Sie kriegen schnell ein Meeting – allerdings oft mit den falschen Leuten. Dann versandet eine vielleicht gute Initiative irgendwo in der Organisation. Corporates haben indessen oft einen erschreckend schlechten Überblick über die wirklich relevanten Startups in ihrem Sektor. Beide Parteien machen sich oft nicht im Vorfeld klar, was genau sie von einer Zusammenarbeit erwarten und wie sie den Erfolg messen sollen – es fehlen dann die richtigen KPIs, um den Erfolg der Initiativen auch bewerten zu können.
2) Prozesse: Während das Startup darunter leidet, dass beim großen Partner Entscheidungen und Entwicklungsprozesse lange dauern und die Budgetierung intransparent bleibt , ist es für Corporates oft schwierig, wenn Startups noch keine klaren Prozess-Standards haben und beim Thema Compliance und Qualitätssicherung ein echtes Risiko darstellen können – weil eben Trial und Error z.B. in einer großen Fertigungsstraße nicht mehr gut funktioniert.
3) Value Assurance: Wenn es im großen Unternehmen am Willen des Führungsteams fehlt, die Zusammenarbeit zu einem klar definierten Erfolg zu führen, dann drohen Startups in einem ewigen und nicht zielführenden Test-Usecase zu versinken. Für das Corporate besteht natürlich immer das zusätzliche Risiko, dass ein Startup aufgrund seiner noch fragilen Situation nur bedingte Value Assurance leisten kann – und immer mit dem Risiko gerechnet werden muss, dass das Startup mit seinen Lösungen als Partner auch schnell wieder vom Markt verschwindet.
4) Organisation und Talente: Häufig fehlt bei Startups Erfahrung in Sales, Key Account Management und Verhandlung – was ein Zusammenspiel nicht leichter macht. Dafür fehlen dem Corporate oft dedizierte Abteilungen und Talente, die sich mit externer Innovation befassen, was zu einem ungeplanten und willkürlichen Umgang mit externer Innovation führen kann.
5) Kultur: Am Ende ist eine große Herausforderung der „Clash of Cultures“. Während Gründer und Mitarbeiter des Startups in ihrer Can-Do-Mentalität gerne schnell und iterativ arbeiten und dabei auch Risiken eingehen, trifft man im Corporate häufiger Mitarbeiter und Entscheidungsträger, die ein geplantes Vorgehen bevorzugen, das in erster Linie Risiken vermeidet. Das kann zu Missverständnissen und großer Frustration führen. Nicht unterschätzen sollte man auch die Angst vor Veränderung oder Verlust der eigenen Wertschätzung bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes im Corporate durch externe Innovation.
Wie so oft ist der Dialog entscheidend. Genau hier können Spieler helfen, die zentral im Ökosystem zwischen Start-ups und Corporates vermitteln. Dazu gehören Incubators, Acceleratorprogramme, aber auch Unternehmensberatungen wie McKinsey, die auf der einen Seite tiefe Industrie-Expertise und globale Beziehungen zu den wichtigen Entscheidern der Corporates pflegen – und auf der anderen Seite eigene Netzwerke in die Startup-Welt aufgebaut haben. Bei McKinsey pflegen wir diesen Dialog seit Jahren mit unserem Startup-Programm Fuel Ignition. Dabei helfen wir zum einen im Aufbau von Netzwerken zwischen Führungsetagen und jungen Innovatoren, zum anderen können wir unabhängige Perspektiven z.B. auf Problemlösungsmethoden und Märkte bieten, Diskussionen strukturieren und moderieren – und darüber die Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit schaffen.