Haftungsmaßstäbe bei Private Placements — erste Entscheidung des BGH
Wirsing Hass Zoller Rechtsanwälte
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8. Oktober 2019
1. Seit der „Bond“-Entscheidung des BGH, dem Klassiker im Bereich der Haftung bei Kapitalanlagen, sind über 25 Jahre vergangen. Warum befasst sich der BGH erst jetzt mit den Haftungsgrundsätzen bei einem Private Placement?
Das ist einfach: Die „Bond“-Entscheidung nahm 1993 die gesetzlichen Anforderungen vorweg, welche auf Basis des europäischen Gesetzgebers ins deutsche WpHG im Hinblick auf die Investition vorwiegend von „Kleinsparern“ hineinformuliert wurden. Auch in der Folgezeit beschäftigten sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen bis hin zum Kleinanlegerschutzgesetz in 2015 mit derartigen Investitionen. Für die Haftung bei Private Placements von Großinvestoren gibt es solche Regelungen bis heute nicht. Und da im deutschen Rechtskreis im Bereich der Haftung bei Kapitalanlagen der Grundsatz des „Case-law“ vorherrscht, musste der BGH warten, bis eine derartige Sachverhaltskonstellation auf seinem Schreibtisch gelangt. „Wo kein Kläger, da kein Richter“.
2. Welche Anforderungen stellt der BGH denn nun an die Haftung bei einem Private Placement?
Der BGH macht sehr deutlich, dass die Geschäftserfahrung des Investors bei der Frage, welche Aufklärungspflichten diesem gegenüber bestehen, eine große Rolle spielt. Dieser Investor verdient aber auch im Rahmen eines „Private Placement“ Schutz dahingehend, dass die diesem geschuldete Aufklärung „hinreichend“ ist, so der BGH. In der konkreten Sachverhaltskonstellation wurde der Investor mittels eines Memorandums und einer Investorenpräsentation mit Informationen versorgt; aus diesen Unterlagen ergab sich, dass zu einem bestimmten Stichtag neben dem Beitrag des Investors mindestens 250 Mio. USD an Gesamtinvestitionsvolumen eingeworben werden sollten. Als das Private Placement (rückdatiert) rechtsverbindlich unterzeichnet wurde, war aber bereits klar, dass diese Gesamtinvestitionssumme um circa 10 % verfehlt wurde; hierüber wurde der Investor nicht aufgeklärt.
Der BGH hält in aller nur wünschenswerten Deutlichkeit fest, dass auch bei einem Private Placement für den Investor von Interesse sein kann, ob die im Investitionsmemorandum enthaltene Platzierungsprognose eingehalten wird, oder nicht. Stellt sich am letzten Zeichnungstag heraus, dass diese Prognose nicht gehalten werden kann, ist auch im Rahmen eines Private Placement grundsätzlich hierüber zu informieren.
3. Warum hat sich der Investor letztendlich mit seiner Klage doch nicht durchgesetzt?
Der BGH betritt in dieser Entscheidung im Hinblick auf Private Placements nicht nur Neuland, er schärft auch den Beurteilungsmaßstab, der gegenüber einem Privatinvestor geschuldeten Informationsdichte: Die schleppende Platzierung ist dann nicht aufklärungspflichtig, wenn – wie hier – anstelle der geplanten 250 Mio. USD lediglich 225 Mio. USD eingesammelt werden konnten, so der BGH. Das Unterschreiten der Investitionssumme um circa 10 % beeinträchtigt aus Sicht des BGH nämlich per se nicht Chancen und Risiken des Investments im Rahmen des Private Placements, sodass eine Relevanz dieser Information für den Investor nicht gegeben war. Hätte dieser aber explizit nach dem Erreichen des Gesamtinvestitionsvolumens gefragt, hätte er nicht mit einer Lüge bedient werden dürfen.
Dr. Michael Zoller, RA/FA für Steuerrecht, ist Partner bei Wirsing Hass Zoller Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, München. Er berät und vertritt Mandanten seit 25 Jahren im Bankrecht, insbesondere bei der Anspruchsabwehr, und ist Autor des soeben im Verlag C.H. Beck in der 4. Auflage erschienenen Werkes „Die Haftung bei Kapitalanlagen“.