Fällt der Verkauf der VIESSMANN Klima-Sparte unter die Investitionskontrolle?
Das AWV zählt die Sektoren in Form von Fallgruppen auf, die eine Meldepflicht und – bis zur Freigabe ein Vollzugverbot – für ausländische Investoren begründen können. Es ist nicht zu erkennen, dass die Klimasparte von Viessmann zwingend unter eine der Fallgruppen fällt. Aber selbst wenn keine Meldepflicht besteht, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ein Prüfrecht, sofern sich ein ausländischer Investor wie vorliegend mit mehr als 25% der Stimmrechte an einem deutschen Unternehmen beteiligt.
Auch ohne Bestehen einer Meldepflicht kann es daher für Unternehmen ratsam sein, einen Erwerb beim BMWK freiwillig zu melden und einen Antrag auf Unbedenklichkeitsbescheinigung zu stellen. Etwaige Bedenken des BMWK hinsichtlich der öffentlichen Ordnung und Sicherheit können dadurch im Vorfeld ausgeräumt und die Rechtssicherheit erhöht werden, da ein nachträgliches Einschreiten vermieden wird. Vorbehaltlich früherer Kenntniserlangung kann das BMWK nämlich noch bis zu fünf Jahre ab Signing ein Prüfverfahren einleiten.
Im vorliegende Fall sind in Bezug auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit keine erheblichen Bedenken abzusehen, auch wenn Erträge aus dem Viessmann-Geschäft künftig überwiegend zu Carrier in die USA abwandern dürften. Wichtiger sollte aus Sicht des BMWKs der Erhalt der Wertschöpfung am Standort Deutschland sein, einschließlich dem Erhalt von Arbeitsplätzen und der Vorsorgungssicherheit Deutschlands und der EU mit Wärmepumpen.
In Bezug auf die Fusionskontrolle haben die Parteien etwaige Anmeldepflichten bei den Kartellbehörden derjenigen Länder zu beachten, in denen die jeweiligen Aufgreifschwellen überschritten werden. Diese sind von Land zu Land unterschiedlich und knüpfen an die Umsatzstärke bzw. an Marktanteile der Parteien an. Das Überschreiten der Schwellen kann zu Anmeldepflichten und Vollzugsverboten in den betreffenden Ländern führen. Verstöße (sog. gun jumping) können ernsthafte Risiken nach sich ziehen.
Die Umsätze von Carrier und der Klimasparte von Viessmann legen nahe, dass in der EU die Europäische Kommission und nicht die einzelnen Mitgliedstaaten für die Prüfung des geplanten Zusammenschlusses zuständig sein dürfte, so dass das Vorhaben dort zentral anzumelden wäre. Auch außerhalb der EU sind etwaige Fusionskontrollpflichten zu beachten, einschließlich in den USA, wo ebenfalls beide Beteiligten tätig sind.
Regelmäßig geht man die Fusionskontrolle bei der Planung von M&A oder PE Transaktionen in paralleler Koordination mit der Investitionskontrolle frühzeitig an und beginnt mit einer länderübergreifenden Prüfung von Melde-/Anmeldepflichten. Diese können nebeneinander bestehen. Es liegt daher nahe, für Transaktionen mit internationalem Bezug, Kanzleien mit entsprechender Reichweite zu beauftragen. Insbesondere stellt es eine erhebliche Erleichterung dar, wenn die von den beteiligten Unternehmen benötigten Informationen gebündelt abgerufen werden können und die Verfahren untereinander koordiniert ablaufen. So werden Widersprüche im Vortrag und unnötiger Arbeitsaufwand vermieden.
Im vorliegenden Fall sind auch in materieller Hinsicht keine ernsthaften Bedenken in Bezug auf die Fusionskontrolle abzusehen. Prüfungsmaßstab ist hier im Unterschied zur Investitionskontrolle die Auswirkung einer Transaktion auf den Wettbewerb in den jeweiligen sachlichen und räumlichen Märkten. Der Wettbewerb im betreffenden Markt für den Absatz von Klimaprodukten, insbesondere Wärmepumpen, dürfte besonders in Deutschland auch durch die Gesetzeslage geprägt sein. Durch die jüngsten Entwicklungen im Energiebereich ist mit einem erheblichen Zuwachs der Nachfrage insbesondere nach Wärmepumpen zu rechnen, was wiederum anbieterseitig dazu führt, dass in den Bereich investiert wird. Dieser Trend vollzieht sich bereits. Schon heute drängen verstärkt sowohl asiatische als auch Anbieter aus der EU auf den deutschen Markt. Hier findet heftiger Wettbewerb statt, der die Viessmann/Carrier-Konsolidierung verkraften sollte, ohne erhebliche Wettbewerbsbehinderungen befürchten zu müssen.
Weltweit vollzieht sich derzeit ein Trend, wonach die regulatorischen Anforderungen zum Schutz von Wettbewerb immer weiter angehoben werden. Insbesondere im Bereich der Digitalwirtschaft sind schon seit etlichen Jahren massive Verschärfungen zu beobachten. Eine zunehmende Sorge der EU betraf Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt, verursacht durch Akteure, die Zugang zu drittstaatlichen Subventionen haben. Zum Schutz des Binnenmarktes hat die EU die Foreign Subsidies Regulation (FSR) erlassen, die eine Reihe neuer Befugnisse für die EU Kommission regelt. Diese treten nicht nur neben das bestehende Beihilferecht. Unter der FSR können für größere Transaktionen ab bestimmten Umsatzschwellen bzw. je nach Höhe der empfangenen finanziellen drittstaatlichen Zuwendungen künftige weitere Meldepflichten auch zusätzlich zur Investitionskontrolle und der Fusionskontrolle hinzutreten. Kritiker befürchten hier eine Überregulierung und bemängeln erhebliche Rechtsunsicherheiten in der nahenden Anwendungspraxis. Die EU Durchführungsverordnung zur FSR befindet sich noch im Abstimmungsprozess.
Dr. Michaela Westrup
Dr. Michaela Westrup ist Partnerin und führende Anwältin der deutschen Kartellrechtspraxis von Reed Smith. Sie berät eine Vielzahl von internationalen Unternehmen in kartellrechtlichen Angelegenheiten der EU und in Deutschland, darunter einige der weltweit größten digitalen Plattformen und Branchenführer, bei kartellbehördlichen Untersuchungen, Streitigkeiten, Compliance- und Vertriebsangelegenheiten sowie in Kartell- und Missbrauchsverfahren.