ALTERNATIVE FINANZIERUNGSFORMEN
FÜR UNTERNEHMER UND INVESTOREN
3 Fragen an kluge Köpfe
Foto: Arnd Allert

Einfluss der Inflation auf Unternehmenstransaktionen

Dazu 3 Fragen an Arnd Allert

Allert & Co. GmbH
Foto: Arnd Allert
12. Septem­ber 2023

Nach herr­schen­der Meinung bemisst sich der Unter­neh­mens­wert nach zukünf­ti­gen Erfol­gen. Ertrags­­­wert-Verfah­­ren und Discoun­ted Cash-flow Verfah­ren werden als adäquat ange­se­hen, um die Zukunft in die Bewer­tung zu inte­grie­ren. Welche Auswir­kun­gen kann die aktu­elle Infla­tion haben und wie zeigen sich diese?


Dazu 3 Fragen an M & A‑Spezialist Arnd Allert, Grün­der und Geschäfts­füh­rer von Allert & Co. GmbH

1. Hat das gestie­gene Zins­ni­veau Einfluß auf eine Transaktion?
Aus der Volks­wirt­schafts­lehre kennen wir alle, dass eine höhere Zins­po­li­tik als Instru­ment zur Gegen­steue­rung für Infla­tion einge­setzt werden kann. In der Wirt­schafts­presse ist häufig zu lesen, dass höhere Zinsen Unter­neh­mens­trans­ak­tio­nen erschwe­ren. Bei genauer Betrach­tung ergibt sich jedoch ein diffe­ren­zier­tes Bild. Die Rendite zehn­jäh­ri­ger Bundes­an­lei­hen lag vor der Finanz­markt­krise 2008/2009 in den vorher­ge­hen­den 20 Jahren bei etwas über 6%. Und glau­ben Sie mir bitte – ich mache das auch schon über 20 Jahre: Auch damals gab es sehr, sehr sinn­volle M&A‑Transaktionen. Vor diesem Hinter­grund ist das aktu­elle Zins­ni­veau in einem länge­ren Betrach­tungs­zeit­raum immer noch güns­tig. Sicher­lich hat das Zins­ni­veau über die Kapi­tal­kos­ten Einfluss auf die Unter­neh­mens­be­wer­tung. Stei­gende Zinsen führen cete­ris pari­bus zu nied­ri­ge­ren Unter­neh­mens­wer­ten respek­tive –prei­sen. Meines Erach­tens ist jedoch der Rück­gang der Trans­ak­ti­ons­an­zahl weni­ger auf das stei­gende Zins­ni­veau zurück­zu­füh­ren als auf eine deut­lich gestie­gene Unsi­cher­heit auf Käufer­seite. Diese Unsi­cher­heit ist ausge­löst durch die Summe der Ereig­nisse der letz­ten drei Jahre. Zunächst muss­ten wir mit der COVID-Pande­mie eine Situa­tion über­ste­hen, die kein Unter­neh­mer in seinem unter­neh­me­ri­schen Leben zuvor erfah­ren hatte. Als diese Krise über­wun­den schien, wurde der Aufwärts­trend durch den Russ­land-Ukraine-Krieg jäh unter­bro­chen. Hier ist meines Erach­tens kein Ende abzu­se­hen und damit auch keine Prognose über Ener­gie- und Rohstoff­preis­ent­wick­lung zu tref­fen. Vor ein paar Jahren gab es das Schlag­wort VUCA[1]; in dieser Unsi­cher­heit ist ein häufi­ger Reflex, „das Pulver trocken zu halten“, sprich vorhan­dene finan­zi­elle Mittel nicht für Unter­neh­mens­trans­ak­tio­nen auszu­ge­ben, sondern zur Finan­zie­rung opera­ti­ver Heraus­for­de­run­gen im Unter­neh­men zu belas­sen. Ein weite­rer Faktor, mit dem wir in der Vergan­gen­heit keine allzu großen Probleme hatten, ist der tech­ni­sche Umgang mit Infla­tion in der Unter­neh­mens­be­wer­tung. Die Grund­lage für eine einkom­mens­ba­sierte Unter­neh­mens­be­wer­tung ist die Planungs­rech­nung eines Unter­neh­mens. Diese Planungs­rech­nung auf nomi­na­ler Basis muss auch infla­ti­ons­be­dingte Preis­ef­fekte in der Model­lie­rung der Gewinn- und Verlust­rech­nung und Bilanz berück­sich­ti­gen. Darüber hinaus stellt der soge­nannte Termi­nal Value, d.h. der unend­li­che Fort­füh­rungs­wert im finanz­ma­the­ma­ti­schen Bewer­tungs­kal­kül ein wich­ti­ger Einfluss­fak­tor dar. Dieser Termi­nal Value wird unter Zuhil­fe­nahme einer ewigen Wachs­tums­rate bestimmt. Die Einfluss­fak­to­ren auf diese Wachs­tums­rate sind Infla­tion, Wachs­tum und Thesau­ri­e­rung. In der Vergan­gen­heit wurden diese komplex zusam­men­hän­gen­den Fakto­ren in der über­wie­gen­den Anzahl der Fälle mit 1% Wachs­tums­rate abge­bil­det. Diese zuwei­len eher typi­sie­rend ange­nom­mene Para­me­ter ist nunmehr bei jeder Bewer­tung zu über­den­ken. Auch hier wird der Vorgang der Unter­neh­mens­be­wer­tung eher komple­xer. All diese oben genann­ten Fakto­ren führen zu einem weite­ren Unsi­cher­heits­fak­tor bei der Bewer­tung von Unter­he­men. Insge­samt steigt damit das unter­neh­me­ri­sche Risiko und wie oben gesagt – viele Unter­neh­mer zögern bei Akqui­si­ti­ons­ent­schei­dun­gen. [1] Akro­nym, das sich auf “vola­ti­lity” (“Vola­ti­li­tät”), “uncer­tainty” (“Unsi­cher­heit”), “comple­xity” (“Komple­xi­tät”) und “ambi­guity” (“Mehr­deu­tig­keit”) bezieht.
2. Woran merkt man die Infla­tion am ehesten?
Neben dem subjek­tiv empfun­de­nen immer teure­rer werden­den Einkauf am Wochen­ende, sieht man Infla­tion auch beim Blick in Aktien-Depots. Der DAX und andere Indi­zes errei­chen Höchst­werte. Norma­ler­weise sollte dies ein Zeichen für eine gute Konjunk­tur und spru­delnde Unter­neh­mens­ge­winne sein. Dies ist aktu­ell jedoch nicht der Fall, sodass aus meiner Sicht schluss­end­lich diese Höchst­stände ein weite­res Zeichen für Infla­tion darstel­len. Aktien, als Real­werte passen sich den Preis­stei­ge­run­gen an und insbe­son­dere die börsen­no­tier­ten Unter­neh­men mit Preis­set­zungs­macht sind natür­lich auch in der Lage, Infla­ti­ons­ef­fekte sowohl auf der Ertrags- als auch auf der Aufwands­seite kompen­sie­ren zu können. Vor diesem Hinter­grund sind die Höchst­stände am Akti­en­markt zum größ­ten Teil ebenso durch Infla­tion begrün­det, wie mit sons­ti­gen Faktoren.
3. Anwen­dun­gen von Künst­li­cher Intel­li­genz (KI) hält auch beim Verkauf von Unter­neh­men Einzug. Wie denken Sie über die Praxis der KI im M&A‑Sektor? Verän­dert KI hier etwas?
Ich habe mir ange­wöhnt, neue Tech­no­lo­gien nach ihrer dienen­den Funk­tion zu beur­tei­len. Das Thema Künst­li­che Intel­li­genz, das derzeit in allen Medien rauf und runter konju­giert wird, hat schon seit länge­rem Einzug in den M&A‑Alltag gefun­den. Der Begriff Künst­li­che Intel­li­genz wird nach meinem Empfin­den jedoch häufig zu ober­fläch­lich verwen­det und meint in vielen Fällen einfach nur geschickt formu­lierte Algo­rith­men, die bestimmte digi­ta­li­sie­rungs­fä­hige Prozesse schnel­ler ablau­fen lassen. – Dies hat noch nichts mit KI zu tun. Denn mit Verlaub: Es ist ja nun nicht so, dass wir bisher keine komple­xen Daten­bank-Abfra­gen, Szena­rio-Rech­nun­gen, Monte-Carlo-Simu­la­tio­nen o.ä. machen würden. Das machen wir schon sehr, sehr lange. Natür­lich kommen immer häufi­ger Appli­ka­tio­nen zur Anwen­dung, die beispiels­weise in Due Dili­gence Prozes­sen aus vorhan­de­nen Doku­men­ten Tabel­len extra­hie­ren oder gar erstel­len können, wie z.B. bei Miet­ver­trags­über­sich­ten, aber einen echten Einfluss auf das Zustan­de­kom­men von Unter­neh­mens­trans­ka­tio­nen kann ich im Moment noch nicht erken­nen. Im tech­ni­schen Tran­sac­tion Support kann Digi­ta­li­sie­rung – ob mit oder ohne KI – für Effi­zi­enz und robuste Prozesse sorgen. Künst­li­che Intel­li­genz kann aber immer nur so gut sein, wie die Defi­ni­tion der Eingangs­pa­ra­me­ter ist. Viele Einfluss­fak­to­ren lassen sich jedoch nicht para­me­tri­sie­ren oder unter­lie­gen weiter­hin einer Intrans­pa­renz. Beispiels­weise werde Unter­neh­mens­len­ker ihre Unter­neh­mens­stra­te­gien en détail nicht als Input-Para­me­ter zur Verfü­gung stel­len, um KI-Systeme „zu füttern“. In den letz­ten Jahren gab es viele Versu­che, Match­ma­king-Platt­for­men zu etablie­ren. Diese Platt­for­men soll­ten Käufer und Verkäu­fer zusam­men­brin­gen; bisher mit – lassen Sie es mich wohl­wol­lend ausdrü­cken – mit mäßi­gem Erfolg. Seit Jahr­zehn­ten gibt es in der M&A‑Branche Daten­ban­ken, die Unter­neh­men anhand von Bran­chen-Codes klas­si­fi­zie­ren. Nun erscheint es rela­tiv simpel, diese Bran­chen­codes über­ein­an­der zu legen und damit Unter­neh­men zu iden­ti­fi­zie­ren, die stra­te­gisch fürein­an­der rele­vant sein soll­ten. Gleicht man darüber hinaus finan­zi­elle Verhält­nisse nach dem Motto „wer kann sich wen leis­ten“ ab, so liegt nahe, dass solche Match­ma­king-Platt­for­men einen Mehr­wert darstel­len soll­ten. In der Praxis gibt es jedoch eine Viel­zahl weite­rer Einfluss­fak­to­ren, die in solchen Daten­ban­ken nicht erfasst sind. Dies kann z.B. die Geschwin­dig­keit der Bran­chen-Konso­li­die­rung, der stra­te­gi­sche Fit von Produkt­port­fo­lien, Inno­va­tio­nen oder ähnli­ches sein. Kein Unter­neh­mens­len­ker ist aktu­ell bereit, seine Unter­neh­mens­stra­te­gie im Detail zu para­me­tri­sie­ren und damit die Grund­lage zu schaf­fen, die Input­pa­ra­me­ter für KI einwand­frei zu defi­nie­ren. Von daher werden Über­le­gun­gen zum stra­te­gi­schen Fit weiter­hin den Menschen vorbe­hal­ten blei­ben. Vertrauen und Empa­thie „still matters“.   Über Arnd Allert Nach zehn Jahren im Corpo­rate Banking der Deut­schen Bank und in leiten­der Funk­tion im Stahl­han­del ab dem Jahr 2000 Geschäfts­füh­rer einer M&A‑Beratungsgesellschaft für Unter­neh­mens­trans­ak­tio­nen. Seit 2003 Grün­der und geschäfts­füh­ren­der Gesell­schaf­ter von Allert & Co. Mehrere Beirats- und Verwal­tungs­rats­man­date. — Lang­jäh­rige Tätig­keit als Refe­rent an Hoch­schu­len zu den Themen „Corpo­rate Finance“, „Mergers and Acqui­si­ti­ons“ und „Verhand­lungs­stra­te­gien“. CVA, Certi­fied Valua­tion Analyst. Absol­vent des PON Program on Nego­tia­tion der Harvard Law School. Autor des Buches „Erfolg­reich verhan­deln bei M&A‑Transaktionen im Mittel­stand“ und „Distres­sed M&A“. Co-Autor bei: „Moder­nes Sanie­rungs­ma­nage­ment“ und „Unter­neh­mens­ver­kauf in der Krise“.

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