Venture Debt im deutschen Markt
Die Vorteile von Venture Debt bestehen insbesondere darin, dass junge Wachstumsunternehmen hierdurch schon in der Wachstumsphase Zugang zu Fremdkapital erhalten. Sie erhalten dieses Fremdkapital bereits in einer Phase, in der sie in aller Regel aufgrund Fehlens materieller Vermögensgegenstände als Sicherheit und des Fehlens nachhaltiger Gewinne aus operativer Geschäftstätigkeit noch keinen Zugang zu klassischen Bankfinanzierungen haben. Anders als bei einer Kapitalaufnahme im Rahmen einer Equity-Finanzierungsrunde kommt es bei Venture Debt, sieht man von den Warrants einmal ab, zu keiner Verwässerung der Gesellschafter und Inhaber von Equity Incentives (ESOP, VSOP) durch die Finanzierungsaufnahme. — Bei Aufnahme eines Venture Loans erübrigt sich außerdem, anders als bei einer Equity Finanzierungsrunde, die Festlegung einer Bewertung der zu finanzierenden Gesellschaft. Die Transaktionsdauer einer Venture Debt Transaktion ist im Vergleich zu einer Equity Finanzierungsrunde in der Regel kürzer. Ein typisches Venture Debt Projekt kann in ca. 6 bis 8 Wochen abgewickelt werden.
Venture Loans sind regelmäßig keine stand-alone Finanzierungslösung, sondern ein Finanzierungsinstrument, das komplementär zu Eigenkapital Finanzierungsrunden eingesetzt wird. Häufig werden Venture Loans zwischen zwei Finanzierungsrunden aufgenommen, um die weitere Unternehmensentwicklung bis zum Erreichen eines nächsten bewertungsrelevanten Meilensteins zu finanzieren. Ein anderes Anwendungsbeispiel für Venture Debt ist die Bridge Finanzierung von Later Stage Startups bis zu einem geplanten IPO oder Exit, ohne eine Verwässerung der Bestandsinvestoren auf dem Weg dorthin.
Venture Loans sind erstrangige, hochverzinsliche und besicherte Darlehen, die zumeist auf Basis eines schriftlichen Darlehensvertrags (sog. Term Loans) gewährt und mit den Vermögenswerten der Gesellschaft erstrangig besichert werden. Die Laufzeiten von Venture Loans betragen in der Regel zwischen 36 und 48 Monaten. Neben endfälligen Darlehen (Bullett Loans), bei denen die Gesellschaft während der Laufzeit lediglich Zinsen zahlt und die Darlehensvaluta vollständig erst bei Laufzeitende mit einer Zahlung zur Rückzahlung fällig wird, dominieren im Markt eher Venture Loans mit Tilgungsmodellen (amortizing loans). Bei diesen leistet die Gesellschaft nach einer tilgungsfreien Anfangsphase (zumeist 12 und 24 Monaten), in der nur Zinsen gezahlt werden müssen (Interest Only Period), an den Venture Lender laufende (zumeist monatliche) Annuitäten bestehend aus Zins und Tilgung. Seltener sind Venture Loans in Form einer Anleihe (Bond).
Dem vom Venture Debt-Geber übernommenen höheren Risiko korrespondieren branchenübliche Kontroll- und Informationsrechte in der Venture Loan Dokumentation, zumeist im Darlehensvertrag. Wichtig sind in der Praxis hierbei die sog. negativen Covenants, d.h. Vertragsklauseln, mit denen es dem Darlehensnehmer untersagt wird, bestimmte rechtliche Maßnahmen umzusetzen bzw. ohne Zustimmung des Venture Debt Gebers vorzunehmen.
Typische Beispiele solcher negativen Covenants sind das Verbot von Ausschüttungen an Gesellschafter während der Laufzeit des Darlehens, das Verbot der Veräußerung wesentlicher Vermögensgegenstände oder wesentlicher Beteiligungen oder etwa das Verbot oder die Beschränkung der Aufnahme weiterer Fremdfinanzierungen oder weiterer Besicherungen während der Darlehenslaufzeit. Die Nichteinhaltung dieser Covenants durch den Darlehensnehmer führt zu einer Vertragsverletzung was den Venture Debt Geber, soweit die Gesellschaft diese Verstöße nicht behebt zur Kündigung und Gesamtfälligstellung des Venture Darlehens berechtigt.
Bei der Gestaltung der Vertragsdokumentation ist bei deutschen Deals auch darauf zu achten, dass Venture Darlehen hinreichend deutlich vom Rechtsinstitut des Gesellschafterdarlehens und insbesondere von sog. gleichgestellten Drittdarlehen abgegrenzt werden. — Der Venture Debt-Geber ist kein „gesellschaftergleicher Dritter“, sondern ein externer Finanzierungspartner.
Den ausführlichen Autorenbeitrag von Dr. Stefan Gottgetreu und Andrea Schlote (beide Bird & Bird) zum Thema „Venture Debt im deutschen Markt – Abgrenzung zum Rechtsinstitut des Gesellschafterdarlehens und gleichgestellter Drittdarlehen“ können Sie in der neuen FYB-2024 Ausgabe nachlesen oder als PDF bestellen!
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Dr. Stefan Gottgetreu ist Rechtsanwalt und Partner bei Bird & Bird mit über 20 Jahren Erfahrung im Venture Capital-Sektor sowie im Bereich von Unternehmenskäufen und allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Transaktionen. Sein Schwerpunkt liegt in der Early Stage/Start-up-Beratung sowie Venture Capital-Transaktionen (sowohl Equity-Finanzierungsrunden als auch bei Venture Debt), wo er in den letzten zehn Jahren mehr als 80 erfolgreiche Deals in technologieintensiven Branchen begleitet hat.