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3 Fragen an kluge Köpfe
Foto: Dr. Lars Siebert

Trends bei KI in Unternehmen — und bei der Regulierung

Dazu 3 Fragen an Dr. Lars Siebert

WIPIT in Berlin
Foto: Dr. Lars Siebert
26. Februar 2025

2025 wird das Jahr von KI-Agen­­ten und neuen Geschäfts­mo­del­len. Während einige Unter­neh­men ihre KI-Stra­­te­­gien aggres­siv weiter­ent­wi­ckeln, schrei­ten andere vorsich­ti­ger voran oder ziehen sich sogar zurück. Regu­lie­rungs­be­stre­bun­gen bewe­gen sich in Vor- und Rückschritten.


Dazu 3 Fragen an Dr. Lars Siebert, Mana­ging Part­ner von WIPIT in Berlin

1. Wie steht es um die Regu­lie­rung von KI-Akti­vi­tä­ten in Deutsch­land respek­tive in der EU?

Deut­sche Unter­neh­men betref­fende KI-Regu­lie­rung findet momen­tan vornehm­lich auf euro­päi­scher Ebene statt. Mit der KI-Verord­nung ist hier im vergan­ge­nen Jahr ein erstes Geset­zes­pa­ket in Kraft getre­ten, dessen Anfor­de­run­gen seit Anfang Februar 2025 in ganz Europa unmit­tel­bar einge­hal­ten werden müssen. Bei der KI-Verord­nung steht der Gedanke des Grund­rechts­schut­zes im Mittel­punkt. Die Grund­rechte aller in der EU leben­den Perso­nen sollen beson­ders geschützt werden, sofern sie mit KI in Berüh­rung kommen. Der EU-Gesetz­ge­ber hat deshalb die KI-Kompe­tenz und die verbo­te­nen KI-Prak­ti­ken in einer ersten Regu­lie­rungs­stufe der KI-Verord­nung in den Vorder­grund gestellt.

Die KI-Kompe­tenz soll sicher­stel­len, dass KI nur von Unter­neh­men einge­setzt wird, dessen Mitar­bei­ten­den sich ausrei­chend mit dem Thema KI beschäf­tigt und ausrei­chend geschult sind. Das Verbot bestimm­ter KI-Prak­ti­ken, wie insbe­son­dere KI-Systeme, die absicht­lich mani­pu­la­tiv handeln oder Perso­nen absicht­lich täuschen, soll sicher­stel­len, dass beson­ders gefähr­li­che KI-Anwen­dun­gen inner­halb der EU gar nicht erst in Umlauf kommen.

Schritt­weise werden in den nächs­ten Mona­ten und bis ins Jahr 2027 hinein weitere Regu­lie­rungs­stu­fen der KI-Verord­nung folgen. Der Gesetz­ge­ber spannt für die Unter­neh­men damit ein immer enger werden­des Netz an Vorschrif­ten, die es zu beach­ten gilt.

Die EU nimmt dabei zwar die Kritik an der star­ken Regu­lie­rung wahr. Das zeigt auch die kürz­lich geschei­terte KI-Haftungs­richt­li­nie, die als Gesetz­vor­ha­ben zunächst voll­stän­dig aufge­ben wurde. Unter­neh­men in Europa und damit auch in Deutsch­land müssen aber jeden­falls die KI-Verord­nung mit ihren momen­tan schon gelten­den und zukünf­tig noch hinzu­kom­men­den Verpflich­tun­gen umsetzen.

Übri­gens: Ein effi­zi­en­ter Weg zur Compli­ance könnte darin bestehen, dass KI-Lösun­gen zur Einhal­tung dieser Verpflich­tun­gen heran­ge­zo­gen werden, beispiels­weise um Vorga­ben im Unter­neh­men zu erstel­len oder Doku­men­ta­tio­nen voraus­zu­fül­len. Hier­bei dürf­ten zuneh­mend die KI-Agen­ten in den Vorder­grund rücken. Sie könn­ten ohne mensch­li­ches Eingrei­fen mehr­schrit­tige Prozesse erle­di­gen, beispiels­weise eigen­stän­dig eine Datei öffnen, rele­vante Daten iden­ti­fi­zie­ren und in einen E‑Mail-oder Tabel­len-Entwurf übertragen.

2. In welchen Berei­chen wirkt sich KI-Regu­lie­rung bei Ihren Mandan­ten bereits heute aus und was droht bei einer Verlet­zung der KI-Verordnung?

Wie bereits geschil­dert, müssen Unter­neh­men bereits einige Verpflich­tun­gen aus der KI-Verord­nung erfül­len. Dass die Nicht­ein­hal­tung Konse­quen­zen haben kann, zeigt eine aktu­elle Klage einer nieder­län­di­schen Stif­tung für Markt­in­for­ma­ti­ons­for­schung. Am 5. Februar 2025 – und damit nur drei Tage nach dem Geltungs­be­ginn der KI-Verord­nung zu verbo­te­ner KI – rich­tete sich die Klage gegen TikTok und X. Gegen­stand sind Scha­dens­er­satz­for­de­run­gen von poten­ti­ell betrof­fe­nen Nutzern, die sich auf eine Milli­ar­den­for­de­rung summie­ren ließen. Grund sei laut der Kläge­rin die Perso­na­li­sie­rung von Empfeh­lungs­sys­te­men auf Grund­lage inti­mer persön­li­cher Infor­ma­tio­nen, insbe­son­dere von Kindern und Jugend­li­chen. Die im Streit stehende KI sei mani­pu­la­tiv, irre­füh­rend und ausbeuterisch.

Der Ausgang dieses Verfah­rens ist voll­stän­dig offen. Jedoch zeigt die Klage­er­he­bung eines: Die Anfor­de­run­gen der KI-Verord­nun­gen soll­ten nicht auf die leichte Schul­ter genom­men werden und sie sind Basis nicht für Behör­den­un­ter­su­chun­gen, aber auch für private Kläger.

Viele unse­rer Mandan­ten haben bereits in den vergan­ge­nen Jahren mit der schritt­wei­sen Umset­zung von Maßnah­men zur Compli­ance mit der KI-Verord­nung begon­nen. Es ist klar, dass Unter­neh­men eine Über­gangs­phase benö­ti­gen, um sich an neue Regu­lie­run­gen anzu­pas­sen. Das hat schon die Einfüh­rung von DSGVO-Compli­ance-Maßnah­men gezeigt.

Es empfiehlt sich ein stetes und über­leg­tes Vorge­hen, um nicht unter akuten Zugzwang zu gera­ten und Regu­lie­run­gen über­stürzt umset­zen zu müssen. Gleich­zei­tig können Unter­neh­men so auch besser auf die Neurun­gen für Mitar­bei­ter einge­hen. Eine Kommu­ni­ka­tion mit den Mitar­bei­tern über die Einhal­tung neuer Verpflich­tun­gen und auch über die Sorgen der Mitar­bei­ter, im Umgang mit neuen Tech­no­lo­gien, können so besser adres­siert werden.

Unsere Mandan­ten schu­len derzeit Mitar­bei­ter, bauen also „KI-Kompe­tenz“ auf. Sie prüfen aber auch zu entwi­ckelnde KI früh­zei­tig auf die Frage, ob sie einem Verbot unter­liegt oder als Hoch­ri­siko-KI einem beson­de­ren Risi­ko­ma­nage­ment unter­wor­fen werden muss. Auch die Doku­men­ta­ti­ons­an­for­de­run­gen sind dann streng. Neben der KI-Verord­nung sind selbst­ver­ständ­lich weiter­hin auch sons­tige Vorschrif­ten zum Daten­schutz, der Cyber­si­cher­heit und dem Geschäfts­ge­heim­nis­schutz zu beach­ten. Die Regu­lie­rungs­an­for­de­run­gen sind also viel­fäl­tig und müssen in den Unter­neh­men eben­falls umge­setzt werden.

3. Wo sehen Sie aktu­ell die größ­ten Heraus­for­de­run­gen, die KI und auch die Regu­lie­rung für Ihre Mandan­ten mit sich bringt?

Diese erge­ben sich vor allem aus der Viel­zahl der Regu­lie­run­gen für Unter­neh­men und deren inhalt­li­chen Über­lap­pun­gen. Ein Beispiel: Sowohl die KI-Verord­nung als auch die DSGVO und der Data Act enthal­ten Infor­ma­ti­ons- und Doku­men­ta­ti­ons­pflich­ten, die sich teil­weise über­schnei­den teil­weise aber auch schwer unter einen Hut zu brin­gen sind. In eini­gen Konstel­la­tio­nen sind sie dennoch gleich­zei­tig anwendbar.

Wieder andere Anfor­de­run­gen erge­ben sich beispiels­weise aus der Produkt­si­cher­heit oder der Produkt­haf­tung. Aus recht­li­cher Sicht ist dabei klar: alle Anfor­de­run­gen müssen recht­zei­tig und im Sinne der Unter­neh­mens­com­pli­ance umfas­send einge­hal­ten werden. In der Praxis kann aber nicht für jede neue Regu­lie­rung eine neue Posi­tion geschaf­fen und eine neue Arbeits­kraft einge­stellt werden. Jeden­falls wäre das kaum wirt­schaft­lich umzu­set­zen. Es wird dann meist auf eine Risi­ko­ab­wä­gung der Geschäfts­füh­rung hinaus­lau­fen, die vorhan­de­nen Ressour­cen best­mög­lich einzu­set­zen und schnellst­mög­lich die Anfor­de­run­gen umzusetzen.

Um für eine Risi­koent­schei­dung im Nach­hin­ein nicht in die Haftung genom­men oder im schlimms­ten Fall sogar straf­recht­lich belangt zu werden, können sich die Verant­wort­li­chen nur absi­chern, in dem sie gut begrün­dete und doku­men­tierte Entschei­dun­gen tref­fen und nach­wei­sen können, dass die Entschei­dun­gen zum dama­li­gen Zeit­punkt gut vertret­bar und keines­falls vorwerf­bar waren. Die Doku­men­ta­tion dient an dieser Stelle quasi wie eine „Versi­che­rung“ zur Absi­che­rung der Entschei­dung zu den konkre­ten Fragen der Unter­neh­mens­or­ga­ni­sa­tion und der Produktentwicklung.

Eine weitere Heraus­for­de­rung – aber auch eine Chance – sehe ich beim Data Act, auf den ich noch kurz zuspre­chen kommen möchte. Der Data Act soll die Daten­öko­no­mie fördern und dafür sorgen, dass Unter­neh­men die von ihren Produk­ten gene­rierte Daten dem Nutzer zur Verfü­gung stel­len. Aber auch ande­ren Unter­neh­men muss unter gewis­sen Voraus­set­zun­gen Zugang zu den „Daten­schät­zen“ gewährt werden. Die erste Reak­tion ist oft: „Wie können wir das verhin­dern?“ oder „Das ist eine ganz schlechte Idee!“. Diese Reak­tio­nen sind aus der Sicht des Daten­in­ha­bers nach­voll­zieh­bar. Ich möchte an dieser Stelle aber auch für die Chance werben, die sich aus dem Data Act ergibt: Deut­sche Unter­neh­men soll­ten früh­zei­tig über­le­gen, welche Rohda­ten sie von ande­ren Unter­neh­men (in der EU) brau­chen könn­ten, um neue Geschäfts­fel­der und Geschäfts­mo­delle zu kreieren. Wenn das gelingt, können sie sich auf neuen Märk­ten als Vorrei­ter posi­tio­nie­ren. Ich jeden­falls glaube daran, dass eine „Data Economy — Made in Germany“ den deut­schen Wirt­schafts­stand­ort nach vorne brin­gen kann.

 

Herr Dr. Siebert ist seit 1999 deut­scher Rechts­an­walt in Berlin, studierte in Kiel und Müns­ter und an der Emory Univer­sity in Atlanta/Georgia (USA). Im Jahr 1998 wurde er an der Univer­si­tät Konstanz promo­viert. Von 1999 bis 2024 war er Anwalt und seit 2004 Part­ner der Sozie­tät Büsing, Müffel­mann & Theye (BMT). Seit Januar 2025 ist er Mana­ging Part­ner bei WIPIT Part­ner­schaft mbB Rechts­an­wälte Steu­er­be­ra­ter. Herr Dr. Siebert ist spezia­li­siert auf den gewerb­li­chen Rechts­schutz und das Technikrecht.

Er berät vor allem Unter­neh­men aus den Berei­chen Auto­mo­tive, Maschi­nen­bau und IT. Schwer­punkte seiner Bera­tungs­tä­tig­keit liegen im Bereich Forschung und Entwick­lung, hier insbe­son­dere in der Vertrags­ge­stal­tung und in der tech­ni­schen Compli­ance. Seit 2009 berät er inten­siv zur eDis­co­very in inter­na­tio­na­len Produkt­haf­tungs- und Patent­ver­let­zungs­fäl­len. Daten­schutz, KI- Regu­lie­rung und das Recht der Digi­ta­li­sie­rung im Allge­mei­nen nehmen in seiner Bera­tung immer mehr Raum ein.

lars.siebert@wipit.legal

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