Berlin ist in — Venture Capital erlebt eine Renaissance
Wenn man die Unternehmensgründer fragt, die nicht nur aus anderen deutschen Städten, sondern häufig auch aus dem Ausland hier nach Berlin kommen, hört man vor allem folgende Gründe für die Standortwahl: Bezahlbarer Büro- und Wohnraum, Kontakt- und Austausch-möglichkeiten mit einer großen Zahl ähnlicher neu gegründeter Unternehmen in unmittelbarer Nachbarschaft. Außerdem gibt es ein dichtes Netzwerk von finanzierenden Business Angels, die meistens selbst bereits Gründungs- und Exit-Erfahrung haben. Es gibt viele qualifizierte potentielle Mitarbeiter, die gern in Berlin leben und arbeiten und last but not least ist es die Lebensqualität der Stadt, die in den letzten Jahren weiter zugenommen hat.
Die genannten Faktoren sind zudem zum Teil auch selbstverstärkend, so nimmt die Attraktivität mit dem Zuzug weiterer Unternehmer und Unternehmen laufend weiter zu.
Die bekanntesten Beispiele kommen sicherlich aus dem Bereich Internet und e‑commerce. Erfolgreiche Gründungen in Berlin sind dort etwa Soundcloud, wooga, gameduell oder Zalando. Aber auch auf anderen Gebieten, etwa Cleantech / erneuerbare Energien, gibt es Erfolgsgeschichten. Darüber hinaus haben eine Reihe von Berliner VC-finanzierten Unternehmen in letzter Zeit einen erfolgreichen Exit durchgeführt – zum Beispiel DailyDeal an Google, brands4friends an eBay, Citydeal an Groupon, kaufDa an Axel Springer… Neben der schon erwähnten Büroeröffnung durch Earlybird sind VCs wie European Founders Fund, Ventegis, Hasso Plattner Ventures und Econa seit langem hier vertreten, ausländische Fonds wie Demeter Partners aus Frankreich haben hier ihr Deutschland-Büro eröffnet. Außerdem sind die IBB Beteiligungsgesellschaft und die von ihr gemanagten Fonds sehr aktive Co-Investoren, vor allem im Technologiebereich. Berlin ist zudem auch die Heimat einer Reihe von Wagniskapitalgebern, die das traditionelle VC-Modell variieren und manchmal als „Super-Angels“ oder „Company Builder“ bezeichnet werden, wie Rocket Internet, Team Europe Ventures, Project A und andere.
Vieles spricht dafür, dass dieser Trend nachhaltiger ist, als die erste — kurze — Blüte von Berlins Startup-Szene um die Jahrtausendwende.
Es bleibt die Frage: Was ist diesmal anders? — Vor allem die Tatsache, dass die meisten Gründungen mit einer viel geringeren Anschubfinanzierung auskommen und die meisten Geschäftsmodelle innerhalb relativ kurzer Zeit den Cash-Break-Even schaffen — oder aufgegeben werden, bevor sie viel Geld verbrannt haben. Die Startups sind effizienter und wohl auch professioneller geworden.
Aber auch die Finanzierung hat sich verändert: Viele Gründer hier in Berlin machen das inzwischen nicht zum ersten Mal und die Finanzierung erfolgt häufig zu Beginn durch Business Angels, die selbst durch Gründungs- und Exit-Erfahrung gegangen sind und daher eine Menge eigenes Know-how mitbringen. Die oben erwähnten Super Angels und Company Builder industrialisieren diesen Prozess. Etablierte VC-Fonds sind dabei, sich in dieser Landschaft neu zu positionieren und in einigen Punkten auch ihr Geschäftsmodell anzupassen. Damit wächst auch die Vielfalt der Finanzierungsformen und –strukturen. Auch das ist ein internationaler Trend.