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Editorials
 

Grusswort | Weaponization of Everything – Die neue Dimension geopolitischer Einflussnahme

 
FYB 2025

Im Jahr 2024 ist über die Hälfte der Welt­be­völ­ke­rung an die Urne gegangen.

Man spricht vom Super­wahl­jahr 2024. Vor allem die US-Präsi­­den­t­­schafts­­­wah­­len werden enorme Auswir­kun­gen auf die globale Sicher­heits­ar­chi­tek­tur und Stabi­li­tät der Welt­märkte haben. Sie prägen maßgeb­lich die zukünf­tige Ausrich­tung der trans­at­lan­ti­schen Bezie­hun­gen. Doch nicht nur die euro­päi­sche Poli­tik und Wirt­schaft sind betrof­fen. Auch die weitere Entwick­lung der Bezie­hun­gen zwischen den USA und China wird durch die US-Präsi­­den­t­­schafts­­­wah­­len entschei­dend geprägt.

Insge­samt fanden 2024 in 64 Ländern der Welt natio­nale Wahlen statt – von Russ­land über Iran, Indien, Südafrika, Taiwan bis zu Frank­reich, um nur ein paar zu nennen. Para­do­xer­weise tragen diese Verän­de­run­gen eher zu wach­sen­der Unsi­cher­heit bei und beför­dern Span­nun­gen mehr als Zusam­men­ar­beit. In Taiwan verschärft der Wahl­sieg von Lai Ching-te von der Demo­kra­ti­schen Fort­schritts­par­tei, den China als Sepa­ra­tis­ten betrach­tet, die stra­te­gi­sche Ausrich­tung der beiden Länder und die Bezie­hun­gen zwischen den USA und China. In Frank­reich lassen der Aufschwung der rechts­na­tio­na­len Partei Rassem­blem­ent Natio­nal von Marine Le Pen sowie des Links­bünd­nis Nouveau Front Popu­laire Zwei­fel an Macrons Stel­lung aufkom­men. Auch bei den Wahlen zum Euro­päi­schen Parla­ment profi­tier­ten rechte Parteien wie z.B. die AfD, der fran­zö­si­sche RN oder die FPÖ in Öster­reich. Auch wenn sich die demo­kra­ti­sche Mitte des Parla­ments weit­ge­hend behaup­tet und der Rechts­druck nicht zwin­gend als Indi­ka­tor für die zukünf­tige Ausrich­tung der EU gedeu­tet werden muss, soll­ten sich die EU und ihre Bürge­rin­nen und Bürger auf einschnei­dende Verän­de­run­gen gefasst machen.

2024 war somit ein Jahr poli­ti­scher Umbrü­che, in dem sich entschei­dende bila­te­rale Bezie­hun­gen neu formier­ten. Die Folgen davon sind auch auf den Finanz­märk­ten spür­bar. Stei­gende Unsi­cher­heit und geopo­li­ti­sche Verän­de­run­gen können zu zöger­li­chem Inves­ti­ti­ons­ver­hal­ten führen und Manage­men­tent­schei­dun­gen müssen getrof­fen werden, ohne dass ihre Folgen abseh­bar sind. Anle­ger neigen dazu, risi­ko­be­haf­tete Anla­gen zu verkau­fen und sich in vermeint­lich siche­rere Anla­gen wie Staats­an­lei­hen oder Gold zurückzuziehen.

Dies zeigt: die Stabi­li­tät der Märkte wird genauso wie globale poli­ti­sche Stabi­li­tät durch Konflikte und Span­nun­gen beeinflusst.

Wirt­schaft und Poli­tik sind daher nicht vonein­an­der zu trennen.

Man spricht in dieser Hinsicht von der „Weapo­niza­tion of Ever­y­thing“. Dieser Begriff beschreibt die Poli­ti­sie­rung von Wirt­schaft und Tech­no­lo­gie als Werk­zeuge für geopo­li­ti­sche oder stra­te­gi­sche Zwecke – ein Trend, der sich 2025 fort­setzt. Den vermeint­lich „unpo­li­ti­schen Unter­neh­mer“ gibt es nicht mehr. Sowohl innen­po­li­tisch – mit einer klaren Abgren­zung gegen rechts­po­pu­lis­ti­sche Tenden­zen – als auch außen­po­li­tisch – mit Blick auf Markt­po­si­tio­nie­rung, Versor­gung mit kriti­schen Rohstof­fen, globale Produk­ti­ons­ar­chi­tek­tur und Finanz­ri­si­ken im Liqui­di­täts­ma­nage­ment – sind Unter­neh­men (geo-)politisch gefordert.

Unter­neh­me­rin­nen und Unter­neh­mer dürfen nicht naiv sein.

Häufig begeg­net mir in Unter­neh­mens­krei­sen noch das Argu­ment „Wir machen Geschäfte, keine Poli­tik“. – Ange­sichts der geopo­li­ti­schen Verschie­bun­gen ist diese Einstel­lung aller­dings nicht länger tragfähig.

Sank­tio­nen, vor allem im Finanz‑, Ener­­gie- und Rohstoff­be­reich, nehmen weiter zu. So erließ die chine­si­sche Regie­rung erst kürz­lich weitere Export­be­schrän­kun­gen für das wich­tige Halb­me­tall Anti­mon. Auch der Bereich der hybri­den Kriegs­füh­rung mit Anti-Infor­­ma­­ti­ons­­kam­­pa­­g­nen und Cyber­an­grif­fen auf Unter­neh­men, insbe­son­dere im Bereich der kriti­schen Infra­struk­tur, und die Debatte um Zölle und nicht-tarifäre Handels­hemm­nisse bleibt maßgeb­lich für Firmen und Inves­to­ren. Egal ob gewünscht oder nicht, Unter­neh­me­rin­nen und Unter­neh­mer können sich diesem Trend nicht entzie­hen und müssen „geopo­li­ti­scher“ in ihrem Mind­set werden – ein Lern­pro­zess, der momen­tan auch in der Poli­tik stattfindet.

Dennoch stehen Unter­neh­men und Inves­to­ren dieser Entwick­lung nicht macht­los gegen­über! – Es gibt einen maßgeb­li­chen Gestal­tungs­spiel­raum. Schon mit vergleichs­weise gerin­gen Inves­ti­tio­nen, um Resi­li­enz und die schnelle Reak­ti­ons­fä­hig­keit eines Unter­neh­mens zu stär­ken, können Unter­neh­men Markt­an­teile gewin­nen und Wett­be­wer­ber über­ho­len. Für Inves­to­ren bedeu­tet dies im Umkehr­schluss, dass eine umso gründ­li­chere „Poli­ti­cal Due Dili­gence“ sich auszahlt, beispiels­weise inwie­fern ein Unter­neh­men maßgeb­li­che Abhän­gig­kei­ten von Rohstof­fen aus China oder nur eine geringe verti­kale Inte­gra­ti­ons­tiefe abdeckt.

Somit wird auch 2025 ein Jahr der Geopo­li­tik für unter­neh­me­ri­sches Handeln unter verän­der­ten Rahmen­be­din­gun­gen, die jedoch mindes­tens eine genauso große Chance wie ein Risiko sind.

Dr. Timo Blenk

 

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